Austrazismus

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Austrazismus

Beitragvon Odinus Thorus » Mi 11. Jan 2023, 09:16

Der Musikschuldirektor einer Schule im Weinviertel war deshalb bereits Ende Dezember gekündigt worden

Quelle: https://noe.orf.at/stories/3189754/

im DWDS ist dies nicht als Austrazismus gekennzeichnet. Ich würde immer schreiben: "Dem Musikschuldirektor war gekündigt worden." In den Satzbeispielen bei DWDS findet sich auch kein Beispiel für einen direkten Akkusativ. Das Objekt der Kündigung ist ursprünglich der Vertrag, nicht der Mensch. Auch ein virulenter Akkusativ, wie bei klagen im Österreichischen. Kann es sein, dass ebenso, wie der Genitiv vom Dativ verdrängt wird, diesem der Akkusativ dem Dativ auf die Pelle rückt?
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Re: Austrazismus

Beitragvon medicus » Mi 11. Jan 2023, 09:36

Odinus Thorus hat geschrieben:Kann es sein, dass ebenso, wie der Genitiv vom Dativ verdrängt wird, diesem der Akkusativ dem Dativ auf die Pelle rückt?
So scheint es zu sein. Siehe auch diese Beiträge:
https://de.hinative.com/questions/1219956
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Re: Austrazismus

Beitragvon Odinus Thorus » Mi 11. Jan 2023, 11:03

Hallo, Medicus
Man sollte mal alle dt. Verba, die Dativ- und Akkusativobjekt haben, daraufhin testen, ob das Dativobjekt an die Stelle des Akkusativobjektes rücken kann.

Ein wenig später steht bei deinem Link auch:
Der Duden spricht von österreich./umgangsspr. bei der transitiven Form; in korrektem Hochdeutsch ist immer noch nur der intransitive Gebrauch im Bezug auf Personen korrekt, also jemandem kündigen (nicht jemanden), somit passiv immer „mir wurde gekündigt“ nicht „ich wurde gekündigt“.


Wir hatten damals den österreichischen Gebrauch von Klagen, wo man sagen kann. "Er klagt ihn."
Im Dt kommt ja nach klagen, wegen (Gen.) und dann gegen (Akk.), oder auf (Akk), oder Dat. jemandem sein Leid klagen, auch typische Dat.-Akk.-Objekt Konstruktion. Auch hier diese Verschiebung von Dat. zu Akk.
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Re: Austriazismus

Beitragvon medicus » Mi 11. Jan 2023, 16:39

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Re: Austrazismus

Beitragvon marcus03 » Mi 11. Jan 2023, 17:10

Odinus Thorus hat geschrieben:omit passiv immer „mir wurde gekündigt“ nicht „ich wurde gekündigt“.

In der Umgangssprache ist das oft zu hören.

https://www.youtube.com/watch?v=BmSXUEzVCvs
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Re: Austrazismus

Beitragvon Odinus Thorus » Do 12. Jan 2023, 14:29

Hallo, Marcus03

hier hat Dein Freund recht!
https://www.youtube.com/shorts/bhnXIHU79FU
Er nennt aber nicht die Schuldigen....
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Re: Austrazismus

Beitragvon medicus » Sa 14. Jan 2023, 20:02

Ich finde Austrazismus und Austriazismus. Welche ist die übliche Bezeichnung?
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Re: Austrazismus

Beitragvon Odinus Thorus » Sa 14. Jan 2023, 21:51

medicus hat geschrieben:Ich finde Austrazismus. Welche ist die übliche Bezeichnung?

Austracismus wird mit Ostrakismos zusammenfallen, und Austriazimus wird dann wohl eindeutig verbleiben...
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Re: Austrazismus

Beitragvon Zythophilus » So 15. Jan 2023, 08:42

Im Duden findet sich die geschilderte Verwendung als "österreichisch" und "umgangsspachlich". Auch in Österreich kennt man die Verwendung mit Dativ, wenn man etwa sagt, "ihm wird die Wohnung gekündigt", wobei man in so einem Fall auf oft "aufkündigen" verwendet.
Ich vermute, dass die Verwendung des Verbs sich aus der umgekehrten Perspektive entwickelt hat: Der Arbeitnehmer kann ja von sich aus seine Anstellung kündigen. "Ich kündige (meine Arbeit)." > "Ich werde gekündigt." Den Akkusativ mag außerdem noch die Parallelität zu "entlassen" begünstigen.
Austriazismus ist das gesuchte sprachliche Phänomen, wobei man nicht glauben darf, dass es sich dabei um Abweichungen von einer sprachlichen Norm handeln muss. Der Hinwies auf "korrektes Hochdeutsch" ist also sachlich falsch, denn auch in Österreich spricht man - ob seltener oder öfter als in Deutschland oder der Schweiz, sei dahingestellt - korrektes Hochdeutsch, das eben nicht zu 100 % mit dem in Deutschland gesprochenem Hochdeutsch übereinstimmt. Die regionalen Varietäten der deutschen Sprache sind normalerweise gleichwertig, auch in Deutschland gibt es da mehr, oft auch durch eine einheitliche Amtssprache, die Medien etc. nivelliert. Echter Dialekt ist in Deutschland mit Ausnahme Bayerns sehr selten geworden.
Austrazismus scheint eine politische Bewegung in Katalonien zu sein. Die genaue Beziehung zu Österreich ist mir nicht klar, es dürfte aber etwas mit Karl V. zu tun haben.
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Re: Austrazismus

Beitragvon Odinus Thorus » So 15. Jan 2023, 23:47

Zythophilus hat geschrieben: Der Hinwies auf "korrektes Hochdeutsch" ist also sachlich falsch, denn auch in Österreich spricht man - ob seltener oder öfter als in Deutschland oder der Schweiz, sei dahingestellt - korrektes Hochdeutsch, das eben nicht zu 100 % mit dem in Deutschland gesprochenem Hochdeutsch übereinstimmt.

Hallo Bierfreund, mein Vergleich zu "korrektem Hochdeutsch" beruht nicht auf irgendwie gearteten und vorstellbaren ethischen oder anders gearteten Standards, in dem Sinne, dass das eine besser als das andere. Ich mache in meinem Denken auch keinen Unterschied zwischen Standardsprache und Dialekten, in dem Sinne, dass etwa ein Unterschied an intellektuellem Vermögen zwischen dem Hochdeutschsprecher und dem Niederdeutschsprecher bestehe. Mein Vergleich mit korrektem Hochdeutsch bezieht sich allein auf die Tatsache, das korrektes Hochdeutsch eine staatlich sanktionierte Norm darstellt. Deswegen wird ja auch das Dudeninstitut subventioniert, ebenso wie das Institut für die dt. Sprache. (Mannheim). Ich weiss überhaupt nicht, ob es in anderen deutschsprachigen Ländern parallele Institutionen gibt. Meines Wissens gibt es doch einen internationalen Sprachrat, mit dem man das Konstrukt Hochdeutsch zusammenbindet und als Norm aufrecht erhält. Gibt es denn in Österreich einen eigenen Duden? Doch wohl nicht, oder?
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