Semantisches zu stella

Das Forum für professionelle Latinisten und Studenten der Lateinischen Philologie

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon Domingo » Sa 10. Jan 2009, 20:22

RM hat geschrieben:Ein tieferer Sinn des heliozentrischen Ansatzes ist z.B., daß sich dadurch die Planetenbahnen viel leichter vorausberechnen lassen.


Also hat er eben doch auch ohne Mechanik usw. einen "tieferen Sinn". :?
ἐγὼ μὲν ὁ αὐτός εἰμι, ὑμεῖς δὲ μεταβάλλετε.
Domingo
Censor
 
Beiträge: 653
Registriert: Fr 25. Apr 2008, 23:00

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon RM » Sa 10. Jan 2009, 20:49

Das setzt aber wieder einiges voraus, vorüber sich die Römer und Griechen überhaupt nicht klar waren. Sie glaubten, daß alles um die Erde kreist, und die Entfernungen zu den Planeten zu messen, um die genauen Bahnen zu bestimmen, waren sie noch nicht wirklich in der Lage. Ihnen war auch die Massenanziehung nicht bewußt (obwohl man durch Ebbe und Flut auf solche Ideen vielleicht hätte kommen können). Warum hätten sie also die Sonne als Mittelpunkt des System ansehen sollen?

8) RM
RM
Augustus
 
Beiträge: 4522
Registriert: So 22. Sep 2002, 22:08
Wohnort: Bayern

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon Domingo » Sa 10. Jan 2009, 23:11

Die Einzelheiten kenne ich leider nicht. Was ich weiß, ist, dass es in der Antike bereits Anhänger des heliozentrischen Systems gab, wie die Pythagoreer u. Aristarch von Samos (der berühmteste Heliozentler der Antike), dass Ptolemäus gegen ebendiese Leute argumentiert, dass Hipparchos, einer der allerallergrößten Astronomen, die es je gab, das heliozentrische Modell Aristarchs - aus welchem Grund auch immer - wieder aufgegeben hat. Es war seit Aristarch bekannt, dass die Sonne um ein vielfaches größer ist als die Erde, was nahelegt, dass sie doch selbst im Mittelpunkt stehen könnte.

Übrigens gibt es keine Massenanziehung, das ist doch magisch-abergläubisches Denken. Es gibt nur Krümmungen der Raumzeit ;)

Valete

Domingo
ἐγὼ μὲν ὁ αὐτός εἰμι, ὑμεῖς δὲ μεταβάλλετε.
Domingo
Censor
 
Beiträge: 653
Registriert: Fr 25. Apr 2008, 23:00

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon RM » Sa 10. Jan 2009, 23:55

Domingo hat geschrieben:Es war seit Aristarch bekannt, dass die Sonne um ein vielfaches größer ist als die Erde, was nahelegt, dass sie doch selbst im Mittelpunkt stehen könnte.


Das Problem dabei ist, daß eine richtige Begründung lange Zeit fehlte. Außerdem hielt man sich lange Zeit an der Vorstellung fest, daß die Erde stillsteht. Erst wenn man davon abrückt, wird man ein heliozentrisches System akzeptieren.

Domingo hat geschrieben:Es gibt nur Krümmungen der Raumzeit


Auch hier müssen wir noch einmal über Ursachen, Wirkungen und Zusammenhänge reflektieren. :wink:

8) RM
RM
Augustus
 
Beiträge: 4522
Registriert: So 22. Sep 2002, 22:08
Wohnort: Bayern

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon Domingo » So 11. Jan 2009, 00:00

RM hat geschrieben:
Domingo hat geschrieben:Es gibt nur Krümmungen der Raumzeit


Auch hier müssen wir noch einmal über Ursachen, Wirkungen und Zusammenhänge reflektieren.


Nur zu. Was sind die Ursachen, Wirkungen und Zusammenhänge der Raumzeitkrümmung? 8)
ἐγὼ μὲν ὁ αὐτός εἰμι, ὑμεῖς δὲ μεταβάλλετε.
Domingo
Censor
 
Beiträge: 653
Registriert: Fr 25. Apr 2008, 23:00

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon RM » So 11. Jan 2009, 00:22

Nun, um die Gravitation in Einklang mit den übrigen Wechselwirkungsmodellen (elektromagnetische, starke und schwache) in Einklang zu bringen, müßte sie auch durch den Austausch virtueller Teilchen erklärbar sein. Da die Gravitation wohl alle Teilchen in gleicher Weise betrifft, ändert sich die kinetische Energie eines Teilchens, wenn es von anderen angezogen wird. Da dies auch auf Photonen zutrifft, krümmt sich die Raumzeit, d.h. das Licht wird von Massen angezogen. Daraus, daß sich die Anziehungskraft mit 1/r^2 abschwächt, kann man schließen, daß die Wechselwirkungsteilchen stabil sind. Naja, dem Wikipedia-Artikel "Quantengravitation" können wir entnehmen, daß wir von der Weltformel wohl noch genauso weit entfernt sind, wie Homer vom heliozentrischen System. Aber es gibt ein Lichtblick: Wir haben mehr Menpower! :wink:

8) RM
RM
Augustus
 
Beiträge: 4522
Registriert: So 22. Sep 2002, 22:08
Wohnort: Bayern

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon Domingo » So 11. Jan 2009, 02:47

Mir scheint, wir entfernen uns langsam, aber beständig vom Thema dieses Fadens...
ἐγὼ μὲν ὁ αὐτός εἰμι, ὑμεῖς δὲ μεταβάλλετε.
Domingo
Censor
 
Beiträge: 653
Registriert: Fr 25. Apr 2008, 23:00

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon Laptop » So 11. Jan 2009, 02:49

Stella bezeichnet hier nicht die Sonne, denn diese wurde als pater Helidadum bereits genannt. Stella, das Gestirn, steht hier singulare pro plurale für die Gestirne, also wie schon gesagt wurde von Tiberis, für den Sternenhimmel, der serena ist, also klar: der klare Sternenhimmel umgibt Norden wie Süden. Die Vorstellung von Ovid ist die gleiche wie die von Claudia Roth: Sonne, Mond und Sterne ... :cry:
SI·CICERONEM·ÆMVLARIS·VERE·NON·VIVAS (get a life!) OBITER·DICTVM·BREVITAS·DELECTAT (keep it short and simple = kiss)
Benutzeravatar
Laptop
Augustus
 
Beiträge: 5737
Registriert: Sa 12. Mai 2007, 03:38

Rückkehr zur philologischen Betrachtung

Beitragvon consus » So 11. Jan 2009, 11:18

Salvete, amici.
Zunächst möchte ich Domingos jüngster Bemerkung zustimmen. --- Durch Zythophilens Beitrag angeregt, warrf ich einen Blick in den Liddell-Scott s.v. πόλος und finde unter Zif. 3. celestial sphere, vault of heaven folgende Stelle aus der Anthologia Palatina (14.139): απ’ αντολίης πόλον ήλατο χρύσεα κύκλα ηελίου. Wenn ich mich nicht irre, wird hier der Begriff πόλος in Ost-West-Richtung gedeutet. Die gemini poli, so wage einmal eine kühne Vermutung, könnten sich dann auf den Aufgangs- und Untergangspunkt der Sonne beziehen. Wie dem auch sein, ich bin gespannt, was der von mir erwähnte Littlewood in seinem neuen Kommentar (2006) schreibt. Schönen Sonntag! Quam iucundissimum vobis exopto diem Solis.
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon Zythophilus » So 11. Jan 2009, 11:38

SALVE, CONSE
Ohne es hingeschrieben zu haben, hatte auch ich die Vermutung, dass sich geminos eher auf Osten und Westen und damit den Weg der Sonne als auf Nord und Süd beziehe.
Es ist schön zu sehen, wenn man seine Überlegungen bestätigt findet.
VALE
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 17029
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon RM » So 11. Jan 2009, 12:32

Ich würde jetzt allerdings nicht den Liddell-Scott heranziehen, um Ovid zu deuten - das ist so, als würde man versuchen, einen holländischen Text mit einem deutschen Wörterbuch zu übersetzen. Nehmt lieber einmal eine Ovid-Konkordanz und schaut, wie er das Wort sonst verwendet. Ich habe ja vorher schon zwei Stellen zitiert. "cingere" heißt außerdem "umgürten" - so schlecht passt das in das Bild von Nord- und Südpol nicht. Schaut euch bitte auch folgende Stellen an: Trist. 4, 10, 108 und Met. 2, 131.

8) RM
RM
Augustus
 
Beiträge: 4522
Registriert: So 22. Sep 2002, 22:08
Wohnort: Bayern

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon consus » So 11. Jan 2009, 12:53

RM hat geschrieben:... nicht den Liddell-Scott heranziehen, um Ovid zu deuten - das ist so, als würde man versuchen, einen holländischen Text mit einem deutschen Wörterbuch zu übersetzen.

Dem widerspreche ich entschieden; denn es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Ovid als auch in griechischer Literatur bewandeter poeta doctus um die Bedeutungsnuancen des griechischen Wortes πόλος bei dessen Verwendung in der lateinischen Poesie wusste.
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon Zythophilus » So 11. Jan 2009, 14:07

SALVE, RM!
Die Stelle Tristia IV 10 108 heißt "zw. dem verborgenen und dem sichtbaren Himmel" also m.E. "zw. Sonnenunter- und -aufgang".
Bei Met. II 131 ist m.E. ebenfalls nicht direkt der Südpol im modernen geographischen Sinn gemeint, sondern das Adj. australis wird prädikativ verwendet: "der südliche Himmel" = "der südliche Teil des Himmels"
VALE
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 17029
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon RM » So 11. Jan 2009, 14:27

Dennoch geht aus der sonstigen Verwendung des Wortes "polus" bei Ovid eindeutig hervor, was gemeint war: zwischen den beiden Polen (der nördliche Pol ist als Polarstern gut sichtbar) verläuft die Welt- bzw. Erdachse. Besonders empfehle ich dazu noch einmal folgende Stelle: Trist. 4, 10, 108:

totque tuli terra casus pelagoque quot inter
occultum stellae conspicuumque polum.


8) RM
RM
Augustus
 
Beiträge: 4522
Registriert: So 22. Sep 2002, 22:08
Wohnort: Bayern

Re: Semantisches zu stella

Beitragvon Domingo » So 11. Jan 2009, 16:50

Ich bin mit consus ganz einer Meinung: Es ist keineswegs verkehrt, LSJ-Bedeutungen heranzuziehen, um den Gebrauch griechischer Wörter bei Ovid zu erklären. Und ich gehe noch einen Schritt weiter: falls die Bedeutungen des LSJ im jeweiligen Zusammenhang einen besseren Sinn ergeben als diejenigen, die an anderen Ovidstellen vorfindet, dann hat der LSJ sogar den Vorrang.
ἐγὼ μὲν ὁ αὐτός εἰμι, ὑμεῖς δὲ μεταβάλλετε.
Domingo
Censor
 
Beiträge: 653
Registriert: Fr 25. Apr 2008, 23:00

VorherigeNächste

Zurück zu Lateinische Philologie



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste

cron