Ars I 644: hac minus est una fraude tuenda fides.

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Ars I 644: hac minus est una fraude tuenda fides.

Beitragvon GurkenPaule » Mo 9. Sep 2013, 10:40

Hallo!
Ich brauche erneut Hilfe bei einem Vers.
Hier die ganze Stelle:
ludite, si sapitis, solas impune puellas:
hac minus est una fraude tuenda fides.

Flirtet, wenn ihr weise seid, ohne Nachteil mit einzelnen Frauen. (Immer nur mit einer zur selben Zeit)
?nur die Treue muss man weniger beschützen als den Betrug?
?Diese Täuschung allein muss man mehr schützen als die Treue?
?Eine Treue muss man weniger in Schutz nehmen als den Betrug? :help:

Vorhergehend riet Ovid einerseits falsche Versprechungen zu machen, andererseits aber auch Täuschungen, Morden, also Untaten im allgemeinen fern zu bleiben, da stets eine göttliche Macht anwesend ist. Falls ich dies richtig verstanden habe.... (Ars I 631-642)
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Re: Ars I 644: hac minus est una fraude tuenda fides.

Beitragvon GurkenPaule » Mo 9. Sep 2013, 11:01

Ich habe nun in einem Kommentar gelesen, dass der Vers eine Anspielung auf Cicero, de officiis 3.Buch. Dass Rechtes zu Unrechtem werden kann, wenn man damit unrechte Personen unterstützt.

Ist der Vers also zu verstehen, dass man bei einer Frau mehr den Betrug schützen müsse, als die Treue?
Wieso solle man dann aber immer nur mit einer Frau flirten, wenn die ohnehin betrügen?
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Re: Ars I 644: hac minus est una fraude tuenda fides.

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 9. Sep 2013, 18:21

Das Beste ist immer solche Texte mit Kommentar zu lesen. Oft stellt sich eines heraus: Die Kommentare sind alt, aber gut. In der heutigen Zeit werden Kommentare solcher Qualität selten, weil Kommentare zu antiken Texten kaum revidiert und erneuert werden. Die Koriphäen der lateinischen Philologie lagen im 19. Jhd. und zu Beginn 20...dann erfolgt nicht mehr gar so viel. Über die mangelnden Kommentare beklagt sich sogar W.Stroh, insbesondere was z. B. De Inventione betrifft:
Macht der Rede, S. 362 hat geschrieben:Da kaum ein Mensch heute De inventione liest, ahnt man wenig vom Reichtum dieser Schrift, die zwar meist traditionelles Gut, dieses aber in geistreicher, detaillierter Darstellung darbietet.....
.....Gäbe es nur einen modernen Kommentar, um dies alles verstehen, einordnen und mit Ciceros späterer Praxis vergleichen zu können!
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Re: Ars I 644: hac minus est una fraude tuenda fides.

Beitragvon GurkenPaule » Mi 11. Sep 2013, 11:07

Einen Kommentar griffbereit haben scheint wohl immer von Vorteil zu sein.
Wie ist eine solche Stelle, deren Sinn sich mir nicht ganz erschließt, aber bei einer schriftlichen Pbersetzungsprüfung zu übersetzen? Wörtlich?
Schriftliche Prüfungen bereiten mir in Latein stets Kopfzerbrechen...


Eine weitere Frage:
Trotz Kommentar verstehe ich folgende Stelle nicht. (Im Kommentar, der mir momentan zur Verfügung steht, wird sie nur angeschnitten.)
Ars I 731f.
pallidus in Side silvis errabat Orion;
pallidus in lenta Naide Daphnis erat.

Egentlich übersetzte ich ohne viel nachzudenken sie folgendermaßen:
Blass irrte Orion auf Side in den Wäldern,
Blass war im zähen Wasser Daphnis.


Da ich aber den Sinn nicht ganz verstand sah ich im Kommentar und im Internet nach und fand, dass die gängigste Übersetzung ist, dass Orion und Daphnis wegen ihrer puella, einer "lyrce, Side etc" ind einer Nymphe blass waren.
in + Abl. kann auch die Umstände, Beziehung etc mit konzessiver bzw kausaler Nebenbedeutung angeben: trotz, wegen.
Nais kann für jede Nymphe stehen. Und Daphnis lässt sich auch mit einer Nymphe in Verbindung setzen.
Was aber mit Orion? Außer, dass er für eine Frau erblindete fand ich nichts. Und unter Sida fand ich auch nur eine Ortsbezeichnung (laut georges eine äolische Kolonie)

Könnt ihr mir da ein wenig helfen bitte?
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Re: Ars I 644: hac minus est una fraude tuenda fides.

Beitragvon romane » Mi 11. Sep 2013, 11:41

in Side - wegen Side

in lenta Naide - wegen der langsamen / zögernden Nais = Echenais
Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

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Re: Ars I 644: hac minus est una fraude tuenda fides.

Beitragvon consus » Mi 11. Sep 2013, 13:37

Addendum.
Side] Apollodoros schreibt zu diesem weiblichen Wesen (bibl. 1, 4, 3): Οὕτος <πρώτην> μὲν ἔγημε Σίδην, ἣν ἔρριψεν εἰς Ἅιδου περὶ μορφῆς ἐρίσασαν Ἥρα = „Dieser (sc. Orion) heiratete als erste Side, die Hera in den Hades stieß, weil sie sich in einen Wettstreit mit ihr um die schöne Gestalt eingelassen hatte.“ Danach, so berichtet Apollodoros weiter, habe sich Orion an eine gewisse Merope, des Oinopion Tochter, herangemacht, Vater Oinopion habe ihn aber trunken gemacht und dann im Schlaf des Augenlichtes beraubt. Vgl. Orion.
pallidus in Side] Sinn: blass vor Liebeskummer verliebt in Side.
Daphnis] hatte es mit einer Najade zu tun, die „lenta“, d. h., „tarda ad amandum“ (Heinsius), also träge, lau, leidenschaftslos war und nicht gerade vom Feuer der Liebe zu Daphnis verzehrt wurde. Vgl. Daphnis.
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Re: Ars I 644: hac minus est una fraude tuenda fides.

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 11. Sep 2013, 17:31

Man kann sich auch mal den ausführlichen Kommentar von P. Brandt dazu anschauen:
http://tinyurl.com/pv2xf96
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Re: Ars I 644: hac minus est una fraude tuenda fides.

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 11. Sep 2013, 17:42

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