Felseninschrift

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Felseninschrift

Beitragvon Quentin24 » Di 10. Dez 2013, 08:52

Hallo zusammen,

ich habe auf einer Burgruine eine schlecht lesbare Felsinschrift gefunden.

Es könnte 1. "Sua bidu vit" oder 2. "sica bidu vit" geschrieben sein.
Mit "Bidu" könnte vielleicht "Bidu[um] gemeint sein;

Füttert man den Google-Übersetzer, dann kommt für 1. (Vit[a]) "Zwei Tage seines Lebens",
bei 2. "Musikleben in zwei Tagen" heraus.

Das mit dem Musikleben würde Sinn machen, denn auf der Burg fanden früher Sängertreffen statt.

Hat google recht? Ich habe von Latein keine Ahnung... wer kann weiter helfen?

Vielen Dank
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Re: Felseninschrift

Beitragvon Tiberis » Di 10. Dez 2013, 10:12

Quentin24 hat geschrieben:ich habe auf einer Burgruine eine schlecht lesbare Felsinschrift gefunden.

dem google- übersetzer würde ich nicht allzu sehr trauen, vor allem, wenn der text noch nicht einmal geklärt ist. setzen wir einmal voraus, dass es wirklich eine lateinische inschrift ist (einiges spricht dafür), dann wäre folgendes vorab zu klären:
a) wo genau befindet sich die inschrift ? auf einem felsen?? oder doch am gebäude?
b) ist es eine "kritzelei" oder eine ordentlich gemeißelte inschrift?
c) welche buchstaben sind eindeutig (!) lesbar, welche nicht? sind die worttrennungen (zwischenräume) eindeutig als solche zu erkennen? oder stehen dort - wenn auch schwer erkennbare - buchstaben/ schriftzeichen?
d) handelt es sich um groß- oder kleinbuchstaben?
am besten wäre natürlich ein foto. falls das nicht möglich ist, wäre es hilfreich, den text nochmals anzugeben unter genauester berücksichtigung der abstände zwischen den einzelnen buchstaben sowie der groß- und kleinschreibung . strittige buchstaben in klammer () anführen, zwischenräume mit punkten markieren (wobei ein punkt bedeutet, dass dort auch eventuell ein buchstabe stehen könnte).
alles andere ist spekulation .
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Re: Felseninschrift

Beitragvon Quentin24 » Di 10. Dez 2013, 13:16

Hi Tiberis,

hier ein Bild von der Schrift http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/32674837

a) Die Inschrift befindet sich in in einer kleinen und engen Felsenhöhle in ca. 1,8m Höhe (Burgruine Haselstein, bei 92685 Floß); es ist schwierig dort mit Hammer und Meißel zu hantieren.

b) Die Schrift ist in einen recht grobkörnigen und weichen Granitfelsen eingeschlagen; eine fein Ausgeführte Schrift ist hier nicht möglich.

Beim unteren Bogen des "S" ist ein natürlicher Riss im Felsen, deshalb auch der gerade Strich.
Bei den beiden Buchstaben der unteren Zeile hat der Schriftersteller wohl die Lust bzw. Kraft mehr gehabt...
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Re: Felseninschrift

Beitragvon Tiberis » Di 10. Dez 2013, 16:02

salve Quentin24,

Das wird totz des sehr guten (!) fotos schwierig, denn es ist gar nicht sicher, ob das überhaupt latein ist.
es scheint, als ob es nur drei wörter wären, die jedoch alle mit großbuchstaben beginnen. d.h., ein ganzer lateinischer satz ist es wohl nicht. einigermaßen gesichert ist wohl nur das "Bidu" in der mitte, sowie der anfangsbuchstabe V in der dritten zeile und der endbuchstabe o in der ersten. im lateinischen ist u und v in der regel ein und dasselbe zeichen, d.h., das wort in der ersten zeile kann nicht "Suo" lauten.
aber ich gebe zu , ich bin derzeit (noch) völlig ratlos. warten wir ab, ob noch jemand eine idee hat...
:?
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Re: Felseninschrift

Beitragvon sinemetu » Di 10. Dez 2013, 20:16

Also, Minuskeln scheint es schon gegeben zu haben. Prähistorisches schließt sich damit aus.
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Re: Felseninschrift

Beitragvon Quentin24 » Di 10. Dez 2013, 20:53

Ich habe auch Rat von einem Schriftexperten eingeholt:

"Der gerade Schaft des “d” und die gerundete Form des “u” in der zweiten Zeile verraten deutlich humanistische Schrifteinflüsse. Die gebrochenen Formen von “S” und dem vermeintlichen “u” der ersten Zeile scheinen mir allerdings noch stark von der Schrift der gotischen Minuskel geprägt zu sein, die im bayerischen Bereich bis weit in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein nachzuweisen ist. Das “B” der zweiten Zeile mit seinen stark aufgeblähten Bögen möchte ich ebenfalls als ein Relikt der gotischen Zeit deuten. Das Formenrepertoire der Felseninschrift scheint mir am besten mit den Schriften des fortgeschrittenen, aber nicht zu späten 16. Jahrhunderts vereinbar zu sein."
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Re: Felseninschrift

Beitragvon Tiberis » Di 10. Dez 2013, 23:38

kann es sein, dass es sich bei dieser "felsenhöhle" um eine art verlies gehandelt hat? man kann ja wohl davon ausgehen, dass es kein steinmetz war, der diese inschrift in den felsen geritzt hat. ich kann mir gut vorstellen, dass sie von jemandem stammt, der dort gefangen gehalten wurde. dass dieser gefangene seine botschaft in lateinischer sprache verfasst haben sollte, erscheint mir andererseits weniger wahrscheinlich, wenngleich natürlich möglich. deutsch ist es jedoch offenbar nicht.
wir haben es also mit mehreren unbekannten zu tun. nehmen wir also an, es war jemand - absichtlich oder nicht - in dieser felsenhöhle eingesperrt und wollte darüber eine "mitteilung" machen. er "meißelt" etwas an die wand, was mangels werkzeug äußerst mühsam ist: er kürzt die wörter daher auf das allernötigste ab. vielleicht sind ihm solche abkürzungen von lateinischen inschriften her bekannt.
wenn also die inschrift wirklich lateinisch ist, kann Bidu in der 2. zeile nur "biduum" (2 tage) bedeuten.
schwieriger ist die deutung der ersten und dritten zeile. in der dritten zeile sieht es so aus, als wären im ersten zeichen ein V mit einem X ligiert. dann könnte man lesen V(i)XIT (lebte).
noch spekulativer wäre es, die erste zeile so zu lesen: SiL (enti) O (in stille).
dann hieße das ganze: silentio biduum vixit = er lebte zwei tage in stille.
wie gesagt, das ist vorerst reine spekulation. ich hoffe immer noch, dass jemand mehr sieht als ich...
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Re: Felseninschrift

Beitragvon Quentin24 » Mi 11. Dez 2013, 16:14

Eine Nutzung als Verlies wäre durchaus möglich!

Bei der letzten Zeile könnte es sich auch um eine Jahreszahl handeln:
V(5) C(100) = [1]500 (so hat man im Mittelalter Zahlen geschrieben); vielleicht ist ja das vermeintliche "t" ja ein "I" --> 1501

Möglicherweise handelt es sich um gar keinen Satz, sondern nur um Stichwörter:

Ereignis: Sica / Suo / Sua ????
Dauer: "2 Tage"
Jahr: "1501"
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Re: Felseninschrift

Beitragvon consus » Mi 11. Dez 2013, 16:41

Bald haben wir den Stoff für einen Kriminalroman aus der frühen Neuzeit, jetzt schon mit einigen notwendigen Requisiten, als da sind: verliesartige Höhle, das Jahr 1500, dann "sica", das lat. Wort für Dolch, dieses grauenvolle Instrument für Meuchelmorde, dessen sich der "sicarius" bedient...
Im Ernst: anregend ist die Sache schon! Vielleicht lässt sich das Rätsel wirklich lösen.
:-D
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Re: Felseninschrift

Beitragvon consus » Mi 11. Dez 2013, 20:32

Addendum.
Der letzte Buchstabe in Zeile 2 ist meines Erachtens kein u, sondern ein o, das vom "Graveur" wegen der Härte des Steins nicht mit der passenden Rundung gestaltet werden konnte. Ein solches graffito, also etwas derartig Eingekratztes, in einem Verlies kann kaum das Produkt eines sich der lateinischen Sprache bedienenden Humanisten sein. Menschen, denen eine solche gastliche Unterkunft bereitet wurde, drückten sich wohl eher in Rotwelsch oder in der Sprache der Region denn in der Sprache der Quiriten aus. Als Arbeitsgerät kam für sie vermutlich auch nur ein Löffelstiel in Frage.
:grins:
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Re: Felseninschrift

Beitragvon Tiberis » Do 12. Dez 2013, 00:27

ich fürchte, wir werden das rätsel nicht lösen können... :(
übrigens: bei genauerem hinsehen scheint es, als ob in der 3. zeile , links vor dem V und etwas nach unten versetzt, noch ein a stünde; auch in der 1. zeile, im rechten bild ganz rechts, ist noch ein o zu erkennen.
beides hilft jedoch auch nicht wirklich weiter.
wenn man wenigstens genau wüsste, welche sprache es ist.. :cry:
@ Consus:
das mit dem o in der 2. zeile kann ich nicht bestätigen. hier zieht eine schwache klüftung durch das gestein, die sich rechts des fraglichen buchstabens noch fortsetzt.
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Re: Felseninschrift

Beitragvon consus » Do 12. Dez 2013, 11:11

Tiberis hat geschrieben:ich fürchte, wir werden das rätsel nicht lösen können... o in der 2. zeile ..., hier zieht eine schwache klüftung durch das gestein, die sich rechts des fraglichen buchstabens noch fortsetzt.
Imagine iterum ac saepius inspecta fieri non potest, quin tibi, mi amice Styriensis, assentiar. Utcumque res se habet, hastam nunc abicio. :sad:
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Re: Felseninschrift

Beitragvon Tiberis » Do 12. Dez 2013, 13:39

consus hat geschrieben:hastam nunc abicio. :sad:

quod valde doleo. nonne "viribus unitis" nonnullas res difficiles iam enodavimus? :D sed fateor mihi quoque in hac re ullum deesse consilium... :(
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Re: Felseninschrift

Beitragvon consus » Fr 13. Dez 2013, 11:33

Tiberis scripsit / hat geschrieben:...nonne "viribus unitis" nonnullas res difficiles iam enodavimus? ...
Ita quidem est, mi amice, sed etiam "viribus unitis" certi constituti sunt fines. Ecce praeclarissimum exemplum: Notam tibi esse pro certo scio tristissimam sortem illius navis longae Austriacae, cui nomen erat Viribus Unitis.
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Re: Felseninschrift

Beitragvon Tiberis » Fr 13. Dez 2013, 14:31

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