Ovid

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Re: Ovid

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 26. Aug 2013, 11:45

Eigentlich findet man schnell eine Antwort darauf, wenn man hier an besagter Stelle auf Fußnote klickt. :wink:
http://gutenberg.spiegel.de/buch/4724/4
Medicus domesticus
Dominus
 
Beiträge: 7287
Registriert: Di 9. Dez 2008, 11:07

Re: Ovid

Beitragvon Zythophilus » Mo 26. Aug 2013, 13:05

Ganz überzeugend ist die Beziehung des uicto als Dativ mit einem zu ergänzenden tibi auf das Subjekt des Satzes nicht.
Der größere Kontext ist offensichtlich ein geplanter Feldzug gegen die Parther. Ovid spielt auf eine Taktik, die diese anwenden, an. Sie geben vor zu fliehen, greifen aber dann doch wieder an. fugis ut uincas. fugere ist also paradoxerweise Element des siegreichen Handelns, obwohl es sonst natürlich dem Besiegten zufällt. Ist im selben Satz, dessen Prädikate beide im Präsens stehen, der Parther sowohl der "siegreiche Fliehende" als auch der Besiegte, dem nicht einmal mehr die Flucht als Möglichkeit bleibt?
Ich denke, dass durchaus gemeint sein kann, dass der Sieger, der flieht, dadurch dem Besiegten gewissermaßen seine "Aufgabe" nimmt.
Militärische Erfolge der Parther gegen die Römer waren dem Dichter durchaus bekannt. Ovid deutet diese als Taktik verwendete Flucht im folgenden Pentameter als schlechtes Omen. Parthe, malum iam nunc Mars tuus omen habet. In der nächsten Schlacht wird Augustus die Parther schlagen, dann wird die Flucht (weder als Taktik noch als echte Flucht) nichts bringen v. 216.
Zuletzt geändert von Zythophilus am Mo 26. Aug 2013, 13:44, insgesamt 1-mal geändert.
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 17068
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Ovid

Beitragvon Tiberis » Mo 26. Aug 2013, 13:35

Zythophilus hat geschrieben:Ich denke, dass durchaus gemeint sein kann, dass der Sieger, der flieht, dadurch dem Besiegten gewissermaßen seine "Aufgabe" nimmt.

auch nicht sehr überzeugend, wenngleich natürlich möglich. :roll:

Qui fugis, ut vincas, quid victo, Parthe, relinquis?
Parthe, malum iam nunc Mars tuus omen habet.


gerade der pentameter stützt, wie ich meine, die interpretation , die victo auf tibi bezieht:
"du, der du (schon) fliehst, um zu siegen - was lässt du dir ( zu tun) übrig, wenn du besiegt bist ? schon jetzt, Parther, hat deine (art der )kriegsführung eine schlechte vorbedeutung."
ego sum medio quem flumine cernis,
stringentem ripas et pinguia culta secantem,
caeruleus Thybris, caelo gratissimus amnis
Benutzeravatar
Tiberis
Pater patriae
 
Beiträge: 11898
Registriert: Mi 25. Dez 2002, 20:03
Wohnort: Styria

Re: Ovid

Beitragvon Prudentius » Di 27. Aug 2013, 19:41

Du kannst davon ausgehen, dass mir die kongruenzregeln bekannt sind, lieber Prudentius. :D


Hallo Tiberis, ich versuche eben, euch von einem Irrweg abzubringen, ob es mir gelingt, weiß ich nicht.

Ihr seid bei eurer Deutung zu zwei seltsamen Verkrümmungen gezwungen, die man sich ersparen kann, meine ich:
- ihr müsst den Dativ victo auf das Subjekt zurückbeziehen, was ja doch ein victus erfordern würde, und lasst es mit einem Wort kongruieren, das gar nicht dasteht (tibi);
- der Vorgang "Überlassen" erfordert zwei Leute, Geber und Empfänger, bei euch aber überlässt einer sich selbst etwas.
Der Sieger braucht einen Partner, den Besiegten.

Es geht nicht nur darum, den grammatischen Knoten zu lösen, sondern auch um die Situationen, die die beiden Verse wiedergeben.

Ich gebe mal ganz frei wieder, wie ich mir den Sinn der Verse vorstelle:
1. Vers: Du, Parther, kennst keine Gnade mit dem Besiegten, wenn du durch List gesiegt hast;
2. Vers: Jetzt aber wendet sich das Kriegsglück, und da trifft es dich.

Ich meine also, der ganze erste Vers ist der gewohnten Taktik der Parther gewidmet; der zweite Vers kontrastieert dazu: jetzt hat sich das Blatt gewendet.
Ich sehe eure Schwierigkeit darin begründet, dass ihr versucht, schon in den ersten Vers die Schicksalswendung hineinzulegen.

Hallo Romane, ich denke, so passen die beiden Verse gut zusammen.

Das Distichon stellt eine Beweihräucherung des Partherfeldzugs des Augustus dar.

Gruß P. :)
Prudentius
Senator
 
Beiträge: 3577
Registriert: Di 24. Mai 2011, 17:01

Re: Ovid

Beitragvon Tiberis » Mi 28. Aug 2013, 00:13

salve Prudenti,

Prudentius hat geschrieben: ich versuche eben, euch von einem Irrweg abzubringen

:lol:
ein wenig humor kann ja nicht schaden :D
aber im ernst: wen meinst du mit "euch" ? mit meiner interpretation bin ich ja nicht unbedingt in schlechter gesellschaft: abgesehen von Nicolaes Heinsius, den Consus schon zitierte, gehen auch die übersetzungen des "gutenberg-projekts" (gottwein.de) und der Tusculum-ausgabe in dieselbe richtung. und ich denke, das sind nicht die einzigen. irren die alle? :-o
Prudentius hat geschrieben:- (1)ihr müsst den Dativ victo auf das Subjekt zurückbeziehen, was ja doch ein victus erfordern würde, und lasst es mit einem Wort kongruieren, das gar nicht dasteht (tibi);
-(2)der Vorgang "Überlassen" erfordert zwei Leute, Geber und Empfänger, bei euch aber überlässt einer sich selbst etwas.
(3)Der Sieger braucht einen Partner, den Besiegten.


ad 1: Qui fugis, ut vincas, quid victo, Parthe, relinquis?

quid victus relinquis (was lässt du als besiegter zurück?) ergäbe keinen sinn. wem und was da zurückgelassen wird, bliebe völlig offen. zu tibi s.u. (3)
ad 2: warum sollte man nicht sich selbst etwas übrig lassen bzw. überlassen? vgl. Caes.BG 7,34; id. 7,42;
ad 3: mag ja sein, aber hier bezieht sich der gegensatz vincas- victo auf ein und dieselbe person, den Parther .
der vers ist im übrigen chiastisch aufgebaut: fugis - vincas - victo - relinquis. fugis, vincas, relinquis stehen in der 2. person. und ausgerechnet victo sollte auf eine 3. person hinweisen??
die in den chiasmus eingefügte antithese vincas - victo wird noch dadurch verstärkt, dass vincas, wenngleich präsens, eine nachzeitigkeit ausdrückt, victo hingegen eine vorzeitigkeit.
in diesem kunstvoll komponierten vers - meine ursprünglichen zweifel an dessen authentizität sind mitlerweile fast ganz geschwunden - ist ein bezug auf eine dritte person weder formal noch inhaltlich nachvollziehbar. der ganze vers steht gleichsam in der 2. person. auf das "tibi" kann somit getrost verzichtet werden.
Prudentius hat geschrieben:Ich gebe mal ganz frei wieder, wie ich mir den Sinn der Verse vorstelle:
1. Vers: Du, Parther, kennst keine Gnade mit dem Besiegten, wenn du durch List gesiegt hast;
2. Vers: Jetzt aber wendet sich das Kriegsglück, und da trifft es dich.

:? :?
durchaus phantasievoll, aber was hat das mit dem Ovidtext zu tun?? :-o
ego sum medio quem flumine cernis,
stringentem ripas et pinguia culta secantem,
caeruleus Thybris, caelo gratissimus amnis
Benutzeravatar
Tiberis
Pater patriae
 
Beiträge: 11898
Registriert: Mi 25. Dez 2002, 20:03
Wohnort: Styria

Re: Ovid

Beitragvon Zythophilus » Mi 28. Aug 2013, 09:52

Tiberis hat geschrieben:der vers ist im übrigen chiastisch aufgebaut: fugis - vincas - victo - relinquis. fugis, vincas, relinquis stehen in der 2. person. und ausgerechnet victo sollte auf eine 3. person hinweisen??

Schon die Verben fugis und uincas weisen auf einen weiteren Beteiligten (also eine dritte Person) hin: Ohne einen Gegner, vor dem man fliehen muss - sei es auch nur ein taktisches Manöver - oder den man besiegt, sind die beiden Verben nicht sinnvoll.
Gibt es andere Stellen, wo es schlüssiger als an dieser ist, dass Ovid ein Objekt, das letztlich dem handelnden Subjekt entspricht, bloß durch ein Adjektiv oder Partizip ohne Personalpronomen ausdrückt?
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 17068
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Ovid

Beitragvon romane » Mi 28. Aug 2013, 10:22

Betrachtet man das gesamte Kapitel (ab V. 177), in dem AMOR als Kriegsführer in Sachen Liebe beschrieben wird, dann auch noch V. 212 direkt unter besagter Stelle - ich erwähnte ihn schon - bleibt für eine Interpretation nur die Beziehung zum PARTHER übrig.
Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

www.mbradtke.de
Benutzeravatar
romane
Pater patriae
 
Beiträge: 11669
Registriert: Fr 31. Mai 2002, 10:33
Wohnort: Niedersachsen

Vorherige

Zurück zu Übersetzungsforum



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 22 Gäste

cron