Deutsch - Latein

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon ille ego qui » Mo 22. Jul 2013, 10:29

wie gesagt, bedeutet "redditum iri", dass hier tatsächlich von außen jemand ein "reddere" an einem vollzieht, das war das eine bedenken. weiterhin: wie sursumdeorsum richtig sagt, wird der infintiv futur passiv, wo es geht, gemieden. über die gründe (und es liegt nahe, sie im ästhetischen empfinden zu suchen) darf man spekulieren, daher das fragezeichen. übrigens noch ein weiteres (und hier berufe ich mich nun tatsächlich auf besagten stilübungsleiter): "fore", wie auch die perfektformen von esse - "fui" etc. - und auch "fieri", bilden sich ja nicht vom "esse"-stamm her, sondern von einem, der tatsächlich ein "werden" bezeichnet, was sich auch im klassischen latein immer wieder bemerkbar macht. so könnte "fore" über consus' eigentliche intention hinaus durchaus noch den aspekt eines "werdens" für sich in anspruch nehmen. dixi.
;-)
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
ille ego qui
Augustus
 
Beiträge: 6981
Registriert: Sa 3. Jan 2009, 23:01

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon marcus03 » Mo 22. Jul 2013, 10:53

Als ob das Leben/Lebensumstände/etc. keine äußeren Faktoren/"Macher"/"Vollzieher" wären, die einen Menschen zu dem machen, was er am Ende ist. Sorry, lieber Ille, deine Argumentation zieht in diesem Fall nicht wirklich und unterschlägt einen entscheidenden Aspekt. Offenbar fehlt dir dazu noch die nötige Lebenserfahrung. :(
marcus03
Pater patriae
 
Beiträge: 11661
Registriert: Mi 30. Mai 2012, 06:57

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon ille ego qui » Mo 22. Jul 2013, 11:06

das mag natürlich sein - wobei die drei aspekte welt, logik und sprache (vor allem deren natürliche realität in stil und tatsächlichem usus) hier und da in eins fallen können, aber nicht unbedingt müssen. oft genug führt bei übersetzen und schreiben (gerade im lateinischen - wenn man heute zu schreiben oder zu reden versucht) ein von der sprache zunächst unabhängiges nachdenken über aspekte eben von welt und leben einerseits und logik anderseits zu einer sprache, die mit dem natürlichen usus (von stilistischer eleganz zu schweigen) nicht mehr viel zu tun hat.
zur sache: man kann den aspekt des von-außen-gemacht-werdens natürlich ausdrücken - d'accord -, wird sich aber fragen müssen oder doch dürfen, ob das die sprache an dieser stelle zu tun pflegt und ob eben dieser aspekt betont werden soll.
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
ille ego qui
Augustus
 
Beiträge: 6981
Registriert: Sa 3. Jan 2009, 23:01

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon Zythophilus » Mo 22. Jul 2013, 11:17

Dass der pass. Futurinfinitiv selten ist, wird wohl keiner bestreiten; das Supinum auf -um ist nicht bei allen Verben belegt. Wenig gebräuchliche Formen haben es nun einmal an sich, dass sie zumindest seltsam klingen, und da ist es nicht weit, dass sie - was natürlich bis zu einem gewissen Grad subjektiv ist - auch als hässlich empfunden werden. Ob das für den pass. Futurinfinitiv tatsächlich zutraf, weiß ich nicht - hat jemand eine Grammatikerstelle dafür?
Ungebräuchliche Formen zu meiden, empfiehlt jedenfalls Varro, der sich in De lingua Latina (IX 10) sehr ausführlich dazu äußert.
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 17075
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon marcus03 » Mo 22. Jul 2013, 11:26

Gerade in diesem Fall, in dem die Rolle der Mutter betont werden soll, kommen solche Außenfaktoren zum Ausdruck. Daran führt keine Gegenargumentation vorbei. Der Sachverhalt ist also eindeutig.
Warum sollte das die Sprache an dieser Stelle nicht ausdrücken wollen ? Offenbar will, soll und kann sie genau das. :?
marcus03
Pater patriae
 
Beiträge: 11661
Registriert: Mi 30. Mai 2012, 06:57

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon consus » Mo 22. Jul 2013, 11:29

ille ego qui hat geschrieben:..."fore", wie auch die perfektformen von esse - "fui" etc. - und auch "fieri", bilden sich ja nicht vom "esse"-stamm her, sondern von einem, der tatsächlich ein "werden" bezeichnet, was sich auch im klassischen latein immer wieder bemerkbar macht...
Salvete, grammatici doctissimi!
Im Hinblick auf die Wurzel *fu- (< idg. *bhu), den Träger der Grundbedeutungen "werden" / "sein", lohnt es sich z. B. über folgende Horazstellen nachzudenken (epod. 11, 8 in Verbindung mit epist. 1, 13, 9):
"fabula quanta fui" bzw. "et fabula fias".
Benutzeravatar
consus
Pater patriae
 
Beiträge: 14234
Registriert: Do 27. Jul 2006, 18:56
Wohnort: municipium cisrhenanum prope Geldubam situm

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon ille ego qui » Mo 22. Jul 2013, 11:38

das mit der mutter greift doch nicht! das überraschende des satzes, seine pointe, ist doch gerade, dass das "ich" selbst das, was es in zukunft wird, also wozu es eben nicht direkt von der mutter gemacht zu sein scheint (das ist der nebensatz: quod ero / fiam / ...), letztlich doch der mutter zu verdanken hat (und diese pointe kommt eben erst im "debeo" des hauptsatzes!!). und siehe: wenn man nicht auf diesem aspekt herumreitet, ergibt sich ein weit natürlicheres, weit mehr nach unseren "boni scriptores" klingendes latein, das nicht noch vom hammer des grammatik- und logikschmieds zu tönen scheint :prof2:

;-)
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
ille ego qui
Augustus
 
Beiträge: 6981
Registriert: Sa 3. Jan 2009, 23:01

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon ille ego qui » Mo 22. Jul 2013, 11:55

ich ergänze:

das, was "ich" scheinbar aus eigener kraft (!) bin und sein werde, das verdanke ich letztlich doch mutter.

ist es nicht am plausibelsten, den satz so zu verstehen? wenn ja, zerstört man ihn beinahe, wollte man ein von-außen-gemacht-sein akzentuierend in den relativsatz hineintragen.
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
ille ego qui
Augustus
 
Beiträge: 6981
Registriert: Sa 3. Jan 2009, 23:01

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon marcus03 » Mo 22. Jul 2013, 12:36

ille ego qui hat geschrieben:das mit der mutter greift doch nicht! das überraschende des satzes, seine pointe, ist doch gerade, dass das "ich" selbst das, was es in zukunft wird, also wozu es eben nicht direkt von der mutter gemacht zu sein scheint...letztlich doch der mutter zu verdanken hat (


Diese Interpretation halte ich für verfehlt und vom Text her nicht gedeckt.So kann das nicht gemeint sein.
Dazu ist der Satz viel zu patitüdenhaft. Auf die von dir behauptete Pointe deutet nichts hin. Eine solche ist von einem derart (naiv-)"pathetischen", traurig stimmenden Satz nicht zu erwarten. Er will lediglich die bisherige und zukünftige, (gefährlich) glorifizierte Rolle der Mutter herausstellen - sonst gar nichts. Die Rolle des "ich" ist völlig nebensächlich. Von einem wirklichen "ich" kann angesichts der Rolle der Mutter nicht die Rede sein, es wurde stets dominiert und wird von dieser Mutter dominiert bleiben.
Hier will jemand ein Loblied auf seine Mutter singen ohne zu merken, wie sehr das seiner Selbstwerdung vermutlich geschadet hat und weiterhin schaden wird, es sei denn er ist wirklich damit glücklch.
In der Tiefenpsychologie würde man wohl von einer problematischen/missglückten Individuation sprechen,
marcus03
Pater patriae
 
Beiträge: 11661
Registriert: Mi 30. Mai 2012, 06:57

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon ille ego qui » Mo 22. Jul 2013, 12:54

salve, mi optime Marce,

meinst du nicht, dass der satz unausgesprochenerweise kontrastiert mit dem erwarteten: "was ich bin und werde, verdanke ich mir selbst"? eine evtl. nicht einmal dem autor selbst bewusste tiefenpsychologische motivation seiner worte hat auch uns als interpreten und übersetzer, glaube ich, nicht zu interessieren. nun, sei dem wie immer:

der, dessen bekenntnis wir hier zu übersetzen hatten, mag - nach einer tiefenpsychologischen und ggf. ärztlich begleiteten erforschung seines seelenzustandes - aufgrund der vorgebrachten argumente, vorschläge und deutungen selbst entscheiden, wessen (hinein-)interpretation seinem innersten am ehesten gerecht wird :D

valeas :-)
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
ille ego qui
Augustus
 
Beiträge: 6981
Registriert: Sa 3. Jan 2009, 23:01

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon marcus03 » Mo 22. Jul 2013, 13:20

ille ego qui hat geschrieben:salve, mi optime Marce,
...mit dem erwarteten: "was ich bin und werde, verdanke ich mir selbst"?


Genau hier liegt dein Fehler: Wieso soll man das erwarten? Warum dichtest du etwas hinzu, was nicht da steht, obwohl eine banale Erklärung sich nahelegt? Es geht um eine Phrase, die man oft zu hören bekommt, wenn jemand seiner Mutter übertrieben (oft in deren Gegenwart) schmeicheln möchte ohne sich über den Inhalt wirklich im Klaren zu sein.
Etwas mehr Exegese, weniger Eisegese ist hier angesagt. Letzterer scheinst du in diesem Fall erlegen zu sein.
Solche Phrasen sprechen in meinen Augen für sich selbst. :(
marcus03
Pater patriae
 
Beiträge: 11661
Registriert: Mi 30. Mai 2012, 06:57

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon ille ego qui » Mo 22. Jul 2013, 13:42

micarius micario* s.p.d. :D

es ist wahr, dass zumindest noch andere alternativen in frage kämen:
"nicht mir selbst, nicht anderen, nur meiner mutter".
(das steht mit einem - subjektiven - empfinden des platitüdenhaften ja in keinem widerspruch - und gäbe es keine alternativen, bräuchte der satz ja nicht formuliert zu werden ).
aber immer noch würde ich dafür plädieren, das, was verdankt wird, neutral zu halten und nicht ein gemacht-sein in den satz hineinzubringen, von dem er - an dieser stelle! - genauso wenig spricht wie von meinen alternativen ;-)
"was ich bin und werde (ob geworden - einfach so oder aus eigener kraft - oder von außen gemacht, ist hier noch offen ...), das verdanke ich ..."
es bleibt das stilistische argument: einem honigsüßen mutterlob dieser art würde ich eine form von pedantischer und beinahe juristischer übergenauigkeit wie das, wie gesagt, wohl eben darum meist gemiedene supinum + iri nicht zumuten.

* ut medicum nostrum laudem :D
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
carmen et egressus silvis vicina coegi,
ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
ille ego qui
Augustus
 
Beiträge: 6981
Registriert: Sa 3. Jan 2009, 23:01

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon marcus03 » Mo 22. Jul 2013, 14:05

Wie immer man/in Rom über das Supin+iri denken und empfinden mag/mochte , ich finde es trotzdem schön und nützlich und werde ihm treu bleiben. :D

Vllt. leide ich ja auch an einer (pathologischen) Geschmacksverirrung und sollte einen Grammatikpsychiater
aufsuchen. Potentielle Diagnose; "Supinitis" ( insanabilis et inexsuperabilis ) :lol:
marcus03
Pater patriae
 
Beiträge: 11661
Registriert: Mi 30. Mai 2012, 06:57

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon Zythophilus » Mo 22. Jul 2013, 14:38

Ich hege den Verdacht, dass Studenten und Absolventen der Klass. Philologie die gelehrte und etwas komplizierte Form der Coniugatio periphrastica passiva heutzutage in einem Jahr öfter verwenden, als es die Römer während ihrer gesamten Herrschaft taten ;-)
Zythophilus
Divi filius
 
Beiträge: 17075
Registriert: So 22. Jul 2007, 23:10
Wohnort: ad Vindobonam

Re: Deutsch - Latein

Beitragvon marcus03 » Mo 22. Jul 2013, 14:42

ille ego qui hat geschrieben:micarius micario* s.p.d. :D
es bleibt das stilistische argument: einem honigsüßen mutterlob dieser art würde ich eine form von pedantischer und beinahe juristischer übergenauigkeit wie das, wie gesagt, wohl eben darum meist gemiedene supinum + iri nicht zumuten.


Gerade wegen der hohen Brisanz/ Problematik dieses Lobes würde ich zur Supin--Variante greifen, um dem Ganzen den bitteren Beigeschmack zu verleihen, der ihm innewohnt. ;-)
(Natürlich in Absprache mit dem Anfragenden )
marcus03
Pater patriae
 
Beiträge: 11661
Registriert: Mi 30. Mai 2012, 06:57

VorherigeNächste

Zurück zu Übersetzungsforum



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 17 Gäste