Übersetzung von 3 Wörtern

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Tiberis » Mo 3. Mär 2014, 02:26

Laptop hat geschrieben:“frisch” i. S. v. unverbraucht, nicht alt, nicht abgestanden, wäre lat. recens, also ventus recens.

gerade weil recens, wie du richtig schreibst, "unverbraucht, nicht alt" usw. bedeutet, ist es als attribut zu ventus völlig unpassend. was ist denn ein "nicht alter" wind? :D recens bedeutet "frisch" im sinne von "noch neu", noch jung usw., also z.b. frischer fisch, ein frisches (noch nicht welkes) gemüse, eine frische verletzung usw.
ein frischer wind hingegen ist ein kühler wind, der - meteorologisch gesprochen - einen luftmassenaustausch bewirkt. eigentlich ist aber nicht der wind frisch, sondern die durch ihn herangeführte luft : für diese luft wiederum wäre "recens" das richtige attribut.
somit ist ventus frigidus die zwar richtige "wörtliche" wiedergabe. dennoch wäre "ventum frigidum afferre" natürlich ein grober germanismus.
entscheidend erscheint mir, dass der aspekt der veränderung des gewohnten im lateinischen entsprechend berücksichtigt wird, also z.b. " usum cottidianum commutare", "consuetudines (ac mores) commutare" etc.
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Zythophilus » Mo 3. Mär 2014, 07:42

Wenn der erwähnte Wind "frische" Luft bringt, dann kann man das Adjektiv auch auf den Wind beziehen, sei es als im übertragenen Sinn oder als Enallage. Wind ist genau genommen immer nur eine Bewegung von Luft mit gewissen Eigenschaften. Das funktioniert prinzipiell im Deutschen wie im Lateinischen.
Ein Römer hätte eine Verbindung wie uentus recens wohl verstanden, aber sie kommt eben, soweit ich das sehe, nicht vor.
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon consus » Mo 3. Mär 2014, 11:47

Ein Germanismus ist tunlichst zu vermeiden. Entscheiden kann m. E. nur der Kontext. Ein Beispiel: NN brachte frischen Wind in den Schulbetrieb > NN res scholasticas radicitus renovavit.
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Prudentius » Mo 3. Mär 2014, 20:31

"ventum frigidum afferre" natürlich ein grober germanismus.


:-D Hallo Tiberis, ich mache eben als erster Einsender "Dienst nach Vorschrift" oder liefere für die "economy class", um euch eine Möglichkeit für die Steigerung zu lassen :-D .

Germanismus ist eine Stilbesonderheit, aber ist er als als Fehler anzusehen? Ich denke an die vielen Hebraismen der Bibel, sie geben der Sprache ein besonderes Kolorit, jeder versteht sie, und sie geben den Kommentatoren Stoff. Ich habe das Gefühl, "Germanismus" ist einer der überholten Begriffe des Klassizismus, so wie "Goldene Latinität". Wenn wir heute einen L-Satz produzieren, dann schreiben wir nicht für antike Römer, sondern für unsere Leute.

" usum cottidianum commutare"


Einmal eine grundsätzliche Frage: beim Übersetzen eines metaphorischen Ausdrucks haben wir zwei Möglichkeiten: sollen wir die Metapher beibehalten, oder sollen wir sie eliminieren? Ich finde, das zweite ist nicht verlangt, das geht zu weit; wir verändern ja den Sinn der Aussage; der Leser des Originals ist gefordert, die Metapher zu erkennen und (für sich) umzusetzen; ich meine also, wir sollten den Satz so übersetzen, wie er dasteht.

Ich meine auch: Gewünscht war eine "Übersetzung von 3 Wörtern"; ich hätte also vorschlagen sollen:

"frigidum, ventus, afferre".
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Tiberis » Mo 3. Mär 2014, 21:48

Prudentius hat geschrieben:Ich habe das Gefühl, "Germanismus" ist einer der überholten Begriffe des Klassizismus, so wie "Goldene Latinität". Wenn wir heute einen L-Satz produzieren, dann schreiben wir nicht für antike Römer, sondern für unsere Leute.


salve Prudenti,

Letzterer aussage stimme ich zu, wobei ich aber davon ausgehe, dass du unter "unsere leute" nicht ausschließlich jene verstehst, die deutsch als muttersprache haben. Würde man germanismen akzeptieren :-o ,hätte man größte probleme, außerhalb des deutschen sprachraums verstanden zu werden, ganz abgesehen davon, dass man sich dann gleich von jeglicher phraseologie und stilistik verabschieden könnte . :shock:
aber ich will einmal annehmen, dass du es mit der akzeptanz dieser "stilbesonderheit" nicht wirklich ernst meinst. ;-)
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Zythophilus » Mo 3. Mär 2014, 22:06

Wenn es die um die konkrete Redewendung geht, so denke ich, dass sie auch in wörtlichen Übersetzungen verständlich bleibt. Ähnlich ist das englische "wind of change".
Grundsätzlich sind solche "Germanismen" (oder andere "-ismen") schon problematisch: Viele der Neuschöpfungen sind nichts anderes, unverständlich außerhalb der Muttersprache des Schöpfers eines solchen "lateinischen" Wortes.
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 3. Mär 2014, 22:09

Es ist doch eines entscheidend:
Hätte ein Römer das so ausgedrückt?
Lustig finde ich immer, dass sich Klassische Philologen dazu aufspielen eine Entscheidung zu treffen.
Warum? Da viele Quellen verloren sind. Die Klassische Philologie hat eine sehr geringe Quellenlage. Allein aus der Statistik kann man nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben.
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Tiberis » Mo 3. Mär 2014, 22:11

Prudentius hat geschrieben:sollen wir die Metapher beibehalten, oder sollen wir sie eliminieren? Ich finde, das zweite ist nicht verlangt, das geht zu weit; wir verändern ja den Sinn der Aussage; der Leser des Originals ist gefordert, die Metapher zu erkennen und (für sich) umzusetzen;

gerade bei sprichwörtlichen wendungen sollte man nach möglichkeit metaphern beibehalten. aber nicht mittels germanismen, sondern dadurch, dass man eine adäquate lateinische (!) metapher heranzieht.
ein beispiel: "der staat ging vor die hunde" kann ich ja nicht gut übersetzen mit "res publica ante canes venit" :lol: , sondern die entsprechende metapher lautet eben "res ad summam faecem redibat" . man sagt auch nicht "prae arboribus silvam non vides", sondern "medio in flumine aquam quaeris" usw.
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 3. Mär 2014, 22:23

Nein, Tiberis.
Meine grundsätzliche Meinung ist, dass wir das "Latein" nicht bestimmen können. Klassisches Latein unserer Art ist nur ein Ausschnitt. Vieles ist ausgeblendet, da vieles gar nicht überliefert wurde. Vgl. Literaturverlust in der Spätantike. Ich denke, dass wir anders urteilen würden, wenn wir den Zugang zur Bibliothek in Alexandria hätten oder auch zur Lateinisch-Griechischen Bibliothek auf dem Trajansforum (deren Existenz wiederum viele gar nicht kennen, die hier online sind. Davon bin ich überzeugt).
Zuletzt geändert von Medicus domesticus am Mo 3. Mär 2014, 22:32, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Zythophilus » Mo 3. Mär 2014, 22:32

medio in flumine aquam quaeris versteht man, auch wenn einem das deutsche Pendant nicht einfällt, und umgekehrt wäre auch die Aussage prae arboribus silvam non vides klar, auch wenn sie keinem römischen Geist entsprungen ist.
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 3. Mär 2014, 23:00

So sehe ich das auch, Zythophile. Geben wir doch dem Lateinischen eine gewisse Freiheit. Ich sehe es sonst bei vielen Philologen wie in einem kleinen Vogelkäfig. Im Griechischen ist das doch viel entspannter.
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Tiberis » Mo 3. Mär 2014, 23:07

Medicus domesticus hat geschrieben:Lustig finde ich immer, dass sich Klassische Philologen dazu aufspielen eine Entscheidung zu treffen.

schön, wenn du das lustig findest. du kannst es offenbar nicht lassen, den klassischen philologen bei jeder gelegenheit ans bein zu pinkeln. :roll: ich würde mir jedenfalls nicht anmaßen, als laie ärzte in ähnlich unqualifizierter art zu kritisieren.
Medicus domesticus hat geschrieben:Meine grundsätzliche Meinung ist, dass wir das "Latein" nicht bestimmen können. Klassisches Latein unserer Art ist nur ein Ausschnitt.

für das klassische latein ist die quellenlage nicht so schlecht. das ist einer unter mehreren gründen, warum es sinnvoll ist, diese epoche als referenz heranzuziehen. ich möchte nicht schon wieder eine debatte über das klassische latein beginnen, das hatten wir schon zur genüge. :( aber die klassische epoche ist nun einmal die am besten erforschte, und wenn wir uns lateinisch auszudrücken versuchen, geschieht das naturgemäß in sprache und stil jener zeit. so gesehen ist es völlig irrelevant und obendrein höchst spekulativ, auf nicht vorhandene spätantike zeugnisse hinzuweisen. denn selbst wenn es diese gäbe, würde man sich an ihnen nicht zu orientieren haben, es sei denn, man schriebe latein in ausschließlich spätantikem stil.
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 3. Mär 2014, 23:13

schön, wenn du das lustig findest. du kannst es offenbar nicht lassen, den klassischen philologen bei jeder gelegenheit ans bein zu pinkeln. :roll: ich würde mir jedenfalls nicht anmaßen, als laie ärzte in ähnlich unqualifizierter art zu kritisieren.

Was heißt da unqualifiziert?
Du kannst auch die Medizin kritisieren, mach es mal. Ich bin gespannt. Latein ist eine Geisteswissenschaft, die man auch beherrschen kann, wenn man kein Philologe ist. Die klassische Zeit ist zwar erforscht, aber mit extrem niedriger unveränderlicher (Statistik!) Quellenlage. Das weißt du auch. Wenn ich jetzt gemein wäre, würde ich sagen: Wo bleibt dein Beitrag als klassischer Philologe im Griechischforum?
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Tiberis » Di 4. Mär 2014, 01:03

Medicus domesticus hat geschrieben:Was heißt da unqualifiziert?

wie soll ich es sonst nennen, wenn du schreibst, wir philologen "spielen uns auf" , eine "entscheidung zu treffen" ?
abgesehen von der wortwahl: als philologe "entscheidet" man ja nicht ex arbitrio und schon gar nicht ex cathedra, sondern man orientiert sich an der diktion der klassiker. und da haben germanismen und sonstige barbarismen nichts verloren.
Medicus domesticus hat geschrieben:Latein ist eine Geisteswissenschaft, die man auch beherrschen kann, wenn man kein Philologe ist.

verstehe ich recht, dass du damit sagen willst, bei geisteswissenschaften ist es ohne belang, ob man das entsprechende fach studiert hat oder nicht? :hairy:
Medicus domesticus hat geschrieben:Wenn ich jetzt gemein wäre, würde ich sagen: Wo bleibt dein Beitrag als klassischer Philologe im Griechischforum?

wo ich mich einbringe, das musst du schon mir überlassen. aber wenn das wirklich als frage gemeint war - was ich bezweifle -, können wir uns gerne per PN darüber unterhalten.
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Re: Übersetzung von 3 Wörtern

Beitragvon Medicus domesticus » Di 4. Mär 2014, 01:19

Ich denke, dass du von Griechisch kaum mehr Ahnung hast (die meisten Lateinlehrer haben dies nicht mehr, da Griechisch heute nur ein Nebenprodukt ist). Ein gegenteiliger Beweis wäre nicht PN, sondern aktive Beteiligung im Griechischforum.
Studium Latein sagt doch heute gar nichts mehr aus...(ich hatte genügend Lateinnachhilfeschüler)..
Da könnte man viel dazu sagen......
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