Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon Zythophilus » Do 27. Feb 2014, 20:20

Wie eine Eidechse wirkt das auch für mich nicht.
Brot und Wein gehören natürlich zur christlichen Symbolik, was hier im Hintergrund auch mitspielen kann, aber hier dürfte ich um ein Wirtschaftsgebäude handeln: Weinbau prägt die Gegend, und Getreide wurde natürlich auch angebaut. Diese Güter dienten zur Versorgung des Klosters und wurden ggf. auch verkauft. Sie wurden vermutlich im Gebäude gelagert, waren also konkret vorhanden und sind nicht als Anspielung auf Leib und Blut Christi zu verstehen. "Wein und Brot" - das passt als Mahlzeit gut zusammen.
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon romane » Fr 28. Feb 2014, 10:21

Wenn es zu einem Benediktinerkloster gehört, müsste man doch etwas über den Erbauer/Gründer finden können; dieser wird "sich" doch in das Wappen eingebracht haben.
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon Zythophilus » Fr 28. Feb 2014, 16:57

Wenn das Wappen sich einem bekannten Abt oder Propst zuordnen lässt, kann man auch klären, wie sehr die Abbildungen mit dem Distichon übereinstimmen. Leider bietet das Internet nicht viel zu diesem Hof. Vielleicht kann man an Ort und Stelle mehr herausfinden.
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon Zythophilus » Fr 28. Feb 2014, 17:11

In dem in der Inschrift angegebenen Jahr 1730 ist ein Karl Fetzer Abt des Schottenstiftes in Wien. Ich vermute einmal, dass der Benediktinerhof diesem Kloster gehörte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_ ... ttenstifts
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon krambambuli » Fr 28. Feb 2014, 17:29

Zytho bist du eigentlich vor Ort?
Falls ja, wäre nicht ggf. dort etwas näheres rauszukriegen?

das war auf alle Fälle spannend, hat Spaß gemacht, ein wenig "Detektiv" zu spielen.. :-D
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon krambambuli » Fr 28. Feb 2014, 17:33

juergen hat geschrieben:Ich kann beim besten Willen keine Eidechse erkennen. :roll:



ich reiche gerne ne Brille!!! Bild :lol:


Bild
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon juergen » Fr 28. Feb 2014, 17:51

Die Beziehungen verschiedener Klöster zueinander sind nicht so einfach zu durchschauen. Man kann nicht einfach gucken, welches Kloster es in der Nähe gibt, und dann annehmen, daß sie irgendwie zusammen gehören. Stift Melk würde sich ja auch als "Hauptsitz" anbieten.
Aber ohne genauere historischen Kenntnisse, ist sowas kaum zu sagen.
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon Zythophilus » Fr 28. Feb 2014, 18:20

Wenn es sich um eine Besitzung von Melk handelt, dann ist der Abt in diesem Jahr Berthold Dietmayr. Ich gehe aber davon aus, dass der im Eigentum des Stifts Melk stehende Hof der "Melker Hof" war.
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon juergen » Fr 28. Feb 2014, 18:25

Zythophilus hat geschrieben:Wenn es sich um eine Besitzung von Melk handelt, dann ist der Abt in diesem Jahr Berthold Dietmayr. Ich gehe aber davon aus, dass der im Eigentum des Stifts Melk stehende Hof der "Melker Hof" war.

Das war aber nach 1730:
melkerhof.at hat geschrieben:http://www.melkerhof.at/ambiente-geschichte.html

…Diesem Charme erlag auch Kaiser Carl VI., der sich oft und gerne im Melkerhof aufhielt und ihn 1735 durch eine Schutzmauer von der Außenwelt abzuschirmen suchte. Schon kurze Zeit später veräußerte seine Tochter Maria Theresia den Besitz zu sehr günstigen Konditionen an das Stift Melk, dessen Stiftshofmeister ab 1750 den Besitz zu neuer Blüte führten. Seit dieser Zeit wird der ehemalige landesfürstliche Berghof im Volksmund „Melkerhof“ genannt…
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon Tiberis » Fr 28. Feb 2014, 19:51

krambambuli hat geschrieben:das ist ne Eidechse in Draufsicht. Scheint in der Heraldik üblich zu sein.
Die Augen und das Maul im dreieckigen Kopf sind doch gut zu erkennen (Südwesten), auch Beinansätze (Nordosten) ganz oben geht der Schwanz und windet sich dann am oberen westelichen Rand entlang.

:lol:
die vermeintlichen augen dieser vermeintlichen "eidechse" sind nichts anderes als kleine hohlräume im gestein (ich vermute, dass es sich um kalksandstein (Leithakalk) handelt), wie sie auch an zahlreichen anderen stellen (im bild gut zu sehen) vorkommen. und "beinansätze" (von beinen gar nicht zu reden) sind beim besten willen nirgends zu erkennen.
eine eidechse sieht definitiv anders aus. :roll:
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon Zythophilus » Fr 28. Feb 2014, 20:15

Ich weiß nicht, wem der Benediktinerhof einmal gehörte. Sehr plausibel ist es allerdings nicht, dass er im Besitz des Stifts Melk war, ein anderer, später von diesem erworbener Hof den Namen "Melkerhof" erhielt.
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon juergen » Fr 28. Feb 2014, 20:46

Wo wir schon bei der Malstunde sind…

hier mal etwas am Kontrast gedreht:
Bild


Und hier mal etwas drinrumgeschmiert — Ich würde das z.B. als Körbe mit irgendwas drin interpretieren oder auch als Blütenknospen, die sich langsam zu öffnen beginnen oder ähnliches.
Bild
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon Zythophilus » Fr 28. Feb 2014, 21:26

Jetzt weiß ich, was da oben abgebildet ist https://buntemomente.files.wordpress.co ... .jpg?w=719


Nur ein Scherz!
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon cometes » Do 6. Mär 2014, 14:13

Die „Eidechse“ ist ein Flügel, nämlich der des Erzengels Michael im Wappen des Benediktinerklosters Weihenstephan (Bistum Freising), in dessen Streubesitz sich das Gebäude um 1730 befand, auch wenn sich die Historiker nicht ganz einig zu sein scheinen, wann es in diesen gelangte.

1704 konnte gleicherweise das bayrische Benediktinerkloster Weihenstephan bei Freising den großen Hof in Gumpoldskirchen, Kirchengasse No 3, der heute «Benediktinerhof» heißt, dank dieser Situation billig erwerben.
Helene Grünn: Weinbau-Volkskunde des Südbahngebietes von Wien bis Leobersdorf, S.66


Indeß ging es allmählig wieder besser und mit der Rückkehr des Friedens stieg auch des Klosters Wohlstand wieder. Schon im Jahre 1716 war es möglich, einen Ersatz für die schönen Weinberge in Südtyrol zu erlangen, welche Abt Thomas vor 200 Jahren verkauft hatte. Ildephons kaufte nämlich um eine Summe von 13,000 fl. nebst 100 Ducaten Leykauf von einem gewissen Herrn von Feigenbutz einen Complex von Weinbergen nebst einem Hause (vulgo der bayrische Hof) mit Kellern, Stallungen, Aeckern und Wiesen bey Gumpoldskirchen in Oesterreich*). Für diese Weinberge wurde von nun an wieder ein eigener Verwalter oder Aufseher aus der Mitte der Conventualen aufgestellt, welcher dort einen grossen Theil des Jahres, besonders bey der Weinlese, anwesend seyn mußte. Der erste war P. Benedict Unertl.
Heinrich Gentner: Geschichte des Benedictinerklosters Weihenstephan bey Freysing: Aus Urkunden angefertigt, S. 159f.


Bild
Als Wappen führte das Kloster drey Rosen auf zwey Schildern, welche nämlich der Gründer selbst als Graf von Moosburg in dem seinigen führte. Nach der wunderbaren Offenbarung des heil. Michael (1114) kam noch ein Engelsflügel auf das zweyte Schildchen, die drey Rosen aber in das erste zusammen. Heinrich Gentner: Geschichte des Benedictinerklosters Weihenstephan bey Freysing: Aus Urkunden angefertigt, S. 11


Wappenkartusche und Inschrift waren nach Berichte und Mittheilungen des Alterthums-Vereines zu Wien, Bände 23-24, S.92 einst im Keller des Hauses angebracht - und zwar "über den Fässern, an der Rückwand", während am Gewölbe HIC IOSEPH BAVARVS RITE CELLARIA PANDIT | VT LARGO BACCHO DET LOCA TVTA SVO (ergibt in Summe ebenfalls die Jahreszahl 1730) geschrieben stand.

Die Vermutungen, die der Autor des Artikels anstellt, gehen allerdings in die Irre. Er weiß das Wappen nicht zuzuordnen, liest "... CONDIT ARISTAS AT BENE ..." und sucht den IOSEPH BAVARVS als Abt in Michaelbeuern im Salzburger Land. Tatsächlich dürfte es sich aber um den Weihenstephaner "Joseph Gamböck von Vötting, geb. 10. März 1680, Profeß 24. Oct. 1700, Priester 3. Apr. 1706, Vicar in Tünzhausen und Pfaffing, dann über 30 Jahre Weinpropst des Klosters in Gumpoldskirchen, Subprior, gest. 20. April 1760" (Gentner, S. 241) gehandelt haben, der "hier dem freigiebigen Bacchus sicheren Platz" schuf.

Zum rechten (heraldisch linken) Schild, der zwei Kreuze und drei Ähren zeigt, konnte ich Näheres nicht ermitteln, er dürfte aber einen eindeutig landwirtschaftlichen Bezug besitzen, während man auf den Weinbau verweisende Symbole vergeblich sucht.

Nun ist Weihenstephan im Unterschied zu Gumpoldskirchen nicht gerade für seine Weine, sondern für die Landwirtschaft - der Campus Freising-Weihenstephan mit Ausrichtung auf Agrarwissenschaften und Life Sciences führt gewissermaßen die klösterliche Tradition im 21. Jahrhundert fort - bzw. das dort gebraute Bier bekannt. Die seit 1803 verstaatlichte, ehemalige Klosterbrauerei wirbt gegenwärtig damit, die älteste noch bestehende Brauerei der Welt zu sein, auf einem der Etiketten prangt besagtes Wappen.
Möglicherweise spielt das Distichon darauf an, dass die Benediktiner hier (nach zweihundert Jahren Unterbrechung) in einer Bewirtschaftungsform tätig geworden sind, in der erst einmal sat bene, d.h.ganz gut, aber noch nicht optime LIBER ET ASSA CERES, also Wein(bau) und das trockene, sozusagen nicht in die Fässer wandernde Korn sich verbinden.
Zuletzt geändert von cometes am Fr 7. Mär 2014, 10:32, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Lat. Inschrift in Gumpoldskirchen

Beitragvon juergen » Do 6. Mär 2014, 14:55

Danke für die ausführlichen Erklärungen!

:klatsch:
Gruß Jürgen

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