Scaliger,

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Scaliger,

Beitragvon Laptop » Mo 13. Jun 2011, 04:59

Gibt es eine deutsche od. zumindest englische Übersetzung von Scaligers de caussis linguae latinae?
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Re: Scaliger,

Beitragvon Laptop » Di 14. Jun 2011, 02:10

Ich komme an diesem Punkt nicht weiter. Scaliger (und ich meine den Julius Caesar) war ja nicht irgendwer, wie kann es sein, daß Sekundärliteratur so rar ist?
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Re: Scaliger,

Beitragvon Merkur » Di 14. Jun 2011, 08:04

weil die neulateinische Philologie noch in ihren Kinderschuhen steckt.

Den klass. Philologen ist alles nach Tacitus zu dreckig, die modernen Philologen können kein Latein. Da fällt Scaliger durch das Raster, hilft nichts. Es gibt da noch viel, viel mehr Hochqualitatives, das in 300 Jahre alten Ausgaben gelesen werden muss, bis heute weder übersetzt noch verstanden ist. Der einzige Grund ist schlicht der Umstand, dass das Neulatein noch keine eigene Wisschenschaft hat, die es erforschen würde.

Vor relativ kurzer Zeit erst ist die Übersetzung von Scaligers Poetik (wohl eine der bedeutendsten der Neuzeit) erschienen. Bedenken wir, dass solch ein zentraler Text erst vor kurzem eine Übersetzung gefunden hat, können wir die mangelnde Sekundärliteratur nur zu gut verstehen. NB: Bislang liegt nur ein kleiner Teil der lat. Werke Petrarcas in vernünftigen Ausgaben vor. Kommentar sind quasi inexistent ... und Petrarca, "der Vater des Humanismus", ist ja nun auch nicht irgendwer.

Es ist schon leicht pervers, dass die lat. Philologie in der antiken Literatur vom Hundertsten ins Tausendste kommt und sich dem Aufgabengebiet der Erschließung der Neulateinischen Literatur nicht öffnet. Ich denke, die lat. Philologinnen und Philologen stehen in der Pflicht, den immensen lat. Anteil an der frühneuzeitlichen kulturellen und intellektuellen Aktivität den anderen Fächern zugänglich zu machen.
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Re: Scaliger,

Beitragvon Brakbekl » Di 14. Jun 2011, 08:12

Wenn man bedenkt, wieviel Geld in Humbugforschung verplempert wird, - ich denke nur an die teure Kosmologie und Kernforschung - bei gleichzeitigen Ausstieg, da wäre es doch besser, hier vergleichsweise billig forschen zu lassen.
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Re: Scaliger,

Beitragvon Medicus domesticus » Di 14. Jun 2011, 08:41

Merkur hat geschrieben:Es ist schon leicht pervers, dass die lat. Philologie in der antiken Literatur vom Hundertsten ins Tausendste kommt und sich dem Aufgabengebiet der Erschließung der Neulateinischen Literatur nicht öffnet. Ich denke, die lat. Philologinnen und Philologen stehen in der Pflicht, den immensen lat. Anteil an der frühneuzeitlichen kulturellen und intellektuellen Aktivität den anderen Fächern zugänglich zu machen.


Du hast es drastisch ausgedrückt, aber ich muß dir zustimmen. Übrigens habe ich mal online bei meiner nächstgelegenen Uni-Bib Salzburg reingeschaut: Über Scalingers De Causis Linguae Latinae gibt es keine Kommentare oder Übersetzungen, sondern nur eine lateinische Ausgabe von 1609!
Ich beschäftige mich schon seit längerem mit Mittel-und Neulateinischen medizinischen Schriften und Kräuterbüchern und sehe auch hier immer wieder, wie wenig kommentiert und übersetzt ist. Es gibt eine erhebliche Anzahl von medizinischen Schriften auf lateinisch. Im Endeffekt muß man häufig selbst übersetzen. Bild :book:
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Re: Scaliger,

Beitragvon consus » Di 14. Jun 2011, 11:17

Immerhin gibt es z. B. schon einen neulat. Lehrstuhl an der MLU in Halle-Wittenberg. :-D
Übersetzungen findet man auch, z. B.http://iessapostol.juntaextremadura.net/latin/minerva/index.html. Was Franc. Petrarca angeht, so ist da manches bei unseren italien. Freunden zu finden*.

__________________________________________________________________________________
* Vgl. u. a. Nota bibliografica in der zweisprachigen Ausgabe von Petrarcas De vita solitaria (Milano 1992; habe ich gerade hier zu Hause stehen).
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Beitragvon Medicus domesticus » Di 14. Jun 2011, 11:35

Das ist aber nicht Scalinger, sondern Sanctius F., Minerva; Conse ;-)
....und nur spanisch, wo bleiben die deutschen Übersetzungen?
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Re: Scaliger,

Beitragvon consus » Di 14. Jun 2011, 11:39

Medicus domesticus hat geschrieben:Das ist aber nicht Scaliger, sondern Sanctius F., Minerva; Conse ;-)
....und nur spanisch, wo bleiben die deutschen Übersetzungen?
Das habe ich auch keineswegs behauptet, optime Medice ! Es sollte eben nur ein Beispiel für das Vorhandensein von ÜS sein. :lol:
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Re: Scaliger,

Beitragvon Merkur » Di 14. Jun 2011, 11:43

Mittel- und neulateinische Lehrstühle gibt es mehrere in Deutschland, allerdings allesamt, soweit ich sehe, mit starker Tendenz zur mittellat. Phil. Die schier unüberblickbaren Schätze des 16.-18. Jh. sind, soweit ich sehe, quasi nirgendwo (und ich nehme hier Heidelberg, München, Innsbruck und ein paar andere deutschsprachige Unis in gewisser Hinsicht aus) Gegenstand nennenswerter Forschungsbemühungen.

Bei den italienischen Freunden ist im Hinblick auf die Texterschließung bei der Herstellung des Textes leider Schluss. Es hat sich hier die bizarre Unsitte entwickelt, der Edition eines Werks (das inhaltlich nicht ansatzweise erschlossen ist) einen dicken Band editionskritischer Prolegomena vorauszuschicken. Das scheint mir an den Bedürfnissen der Leserschaft vorbeizugehen. Aber es ist natürlich leichter, auf 500 Seiten die verschiedenen Codizes zu beschreiben (da reicht es mehr oder weniger, lesen zu können), als etwas Vernünftiges über Inhalt des Werks und die größeren Zusammenhänge zu schreiben (hierfür müsste viel unedierte und unübersetzte Literatur gelesen werden).

Was die Aufarbeitung Petrarcas anbelangt, so dürften Übersetzungen mit der ein oder anderen Fußnote das höchste der Gefühle sein. Zu ein paar seiner Werke gibt es jedoch mittlerweile ganz gute französische Ausgaben.

Symptom der allgemeinen Vernachlässigung der nachmittelalterlichen Literatur/Schriften ist auch das fast flächendeckende Fehlen von Übersichtsarbeiten. Wir sind da quasi vollständig auf die modernen Philologien angewiesen; und dass die andere Akzente setzen, ist klar. Notwendigerweise muss aus diesem Umstand der Eindruck entstehen, die neulat. Literatur sei eine marginale Erscheinung von minderer Qualität und womöglich auch Bedeutung.
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Re: Scaliger,

Beitragvon Medicus domesticus » Di 14. Jun 2011, 11:55

Noch etwas zur Ergänzung bei neulateinischer medizinischer Literatur dazu. Außer einzelne Institute für Geschichte der Medizin beschäftigt sich kaum jemand damit. Allein das medizinhistorische Museum Ingolstadt hat einen Bestand von insgesamt 15000 Bände,davon viele lateinische Bände, die z.T. in schon schlechten Zustand sind und unbedingt digitalisiert werden müssen. Ich habe einige Bände selbst gesehen. Nur zu einem geringen Prozentsatz gibt es überhaupt Übersetzungen, geschweige denn Kommentare.
Die Beschäftigung gerade mit diesem immensen literarischen Schatz braucht lateinische Philologen, die sich mit neuzeitlicher lateinischer Literatur beschäftigen wollen in Zusammenarbeit mit lateinisch versierten Medizinern interdisziplinär.
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Re: Scaliger,

Beitragvon Hippomenes » Di 14. Jun 2011, 15:46

Das hat wohl wenig mit Übersetzungskorrekturen zu tun.
Bitte den Thread in "Lateinische Philologie" verschieben (und dann meinen Post löschen :))
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Re: Scaliger,

Beitragvon Laptop » Do 18. Sep 2014, 05:38

Ich finde den Beitrag von Merkur auch sehr zutreffend. Aber nochmal zurück zu Scaliger: Ich möchte eine Übersetzung anfertigen, und seine sprachliche Ausdrucksweise ist nicht ganz einfach zu erfassen, schon beim Titel “De caussis linguae Latinae” geht es los, man findet dazu Übersetzungen wie “Principles of the Latin Language”. Meint Scaliger mit causae nicht vielmehr Streitfälle i. S. v. grammatikalischen Unklarheiten, über die kontroverse Ansichten herrschen, und die der Autor versucht aufzuklären? Darauf weist auch sein Titelregister hin, das errores aufführt, womit er die sprachliche Streitfälle meint, die er aufklärt, z. B. etymologisches wie “obliterare non a literis” (will sagen: das Verb obliterare stammt nicht vom Wort litera sondern von litura).

Wenn meine Theorie stimmt, hat schon Francisco Sánchez de las Brozas (1523–1600) Scaligers Titel mißverstanden, denn er hat in Anlehnung zu Scaliger seinem Buch den Ttitel “Minerva sive de causis linguae Latinae” gegeben, womit er aber nicht mehr errores abhandelt, sondern eine ganz normale deskriptive Grammatik herausgibt.
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Re: Scaliger,

Beitragvon Prudentius » Do 18. Sep 2014, 10:49

Den klass. Philologen ist alles nach Tacitus zu dreckig


Laptop hat geschrieben:Ich finde den Beitrag von Merkur auch sehr zutreffend.


Hallo Laptop,

einem solchen Fehlurteil sollte man doch nicht auch noch Beifall spenden! Man sollte wissen, dass dieser Klassizismus schon zur Goethezeit endete, mit dem Aufkommen der Romantik war "das historische Bewusstsein" erwacht, das bestand darin, dass man sich in jede Epoche einzufühlen bemühte, ohne jede Klassifizierung; "Stimmen der Völker in Liedern" hieß eine Sammlung Herders; die "Klassische" Philologie wurde ganz unklassisch, es begannen die großen Sammlungen, "Corpus Inscriptionum Latinarum", nicht etwa nur der klassischen Zeit; es begann historische Erforschung der Antike insgesamt, es entstand die "Realenzyklopädie des kl. Altertums" (RE) von Pauly/Wissowa, in hunderten Bänden. Die Klassiker wurden nicht mehr als solche verehrt, sondern bekamen eine Entwicklungsgeschichte.

Zu den Neulateinern: sie selber setzen sich in Bezug auf die antiken Vorbilder: nicht erst wir Philologen tun ihnen das an!Sie wollen ein neuer Horaz sein, Scaliger möchte Julius Cäsar sein. Daher ist es vllt. auch schwierig, dass das Neulatein sich selbständig machen kann.

Bei nachlassender Lateinkenntnis und schwindenden Planstellen kann die Philolgie schwerlich noch neue Aufgabenfelder bearbeiten.

P. :)
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Re: Scaliger,

Beitragvon Laptop » Do 18. Sep 2014, 20:02

Prudentius, es mag ja sein, daß der Klassizismus schon lange geendet hat, und mancher Autor der Renaissance wie Erasmus wurde sogar viel beachtet. Gleichwohl ist Erasmus’ Ruhm die Ausnahme. Es geht in der Kritik nicht nur darum, daß Scaliger praktisch ignoriert wurde, kaum rezipiert geschweige denn ediert. Merkur hat darauf hingewiesen, daß die Aufmerksamkeit der Philologie unverhältnismäig auf die Autoren verteilt ist, oder, mit anderen Worten, daß zu oft in dieselbe Kerbe geschlagen wird. Es liegt nicht am Personal, sondern am Interessse, das gegen Null tendiert, wenn es um Autoren geht, die nicht im Schlaglicht stehen.
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Re: Scaliger,

Beitragvon Prudentius » Fr 19. Sep 2014, 09:48

Es liegt nicht am Personal, sondern am Interessse


Es ist vllt. nützlich, einmal ein paar Begriffe aus unserem philologischen Altbestand hervorzuholen: da ist einmal der Kanon zu nennen, die gr. Philologie entstand ja außerhalb Griechenlands, im ägyptischen Alexandrien, zur hellenistischen Zeit, in dem "Museion"; dort hatte man das Gefühl, am Ende einer bewahrenswerten Epoche zu stehen, man wollte Texte sammeln, sichern und herausgeben; man hat aber nicht alles gleich behandeln können, sondern musste eine Vorauswahl treffen, eben den Kanon schaffen; das war ja auch für die Schule nötig, man muss in der begrenzten Zeit das nötigste, wertvollste, wichtigste vermitteln; diese Vorauswahl nahm später den Charakter des Verpflichtenden an; was im Kanon stand, musste man lesen und kennen; und was nicht drin stand, existierte nicht.
Am bekanntesten ist der Kanon in der Kirchengeschichte, es gab im 4.Jh. den Kanonsttreit, das NT wurde aus einer Fülle von Literatur ausgesondert, seitdem gibt es die vier Evangelien.
Das, was im Kanon ganz oben steht, sind die Klassiker, eine l. Bildung, von classis, einer Gruppe der Bürgergesellschaft.

Auch wir im L. sind auf Kanonbildung angewiesen, und was anderes als Klassiker werden wir nicht lesen können.
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