Gegensatz zu "conditio sine qua non"

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Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Reisender » Di 23. Apr 2013, 05:57

Hallo, liebe Lateiner!

Ich frage mich schon seit langem, was eigentlich das Gegenstück zu einer "conditio sine qua non" ist.

Als conditio sine qua non wird meines Wissens eine notwendige Bedingung bezeichnet. Wie aber würde man einen Zustand bezeichnen, der einen anderen verhindert?

Wäre das eine "conditio cum qua non"? Ergibt das überhaupt Sinn? Kann eine conditio ein verhinderndes Element bezeichnen? Und ist der Satz grammatikalisch richtig?

Herzlichen Dank euch, ich freue mich auf die Diskussion!
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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Zythophilus » Di 23. Apr 2013, 06:32

Ist das Gegenstück eine eine condicio sine qua, also eine, ohne die es auch geht, oder eine Bedingung, die nicht vorhanden sein darf, wie auch immer man sich das denken soll. Eine condicio kann ja auch eine negative Aussage beinhalten
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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Zythophilus » Di 23. Apr 2013, 06:32

Ist das Gegenstück eine eine condicio sine qua, also eine, ohne die es auch geht, oder eine Bedingung, die nicht, wie auch immer man sich das denken soll, vorhanden sein darf? Eine condicio kann ja auch eine negative Aussage beinhalten
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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Reisender » Di 23. Apr 2013, 06:50

Es ist eine Bedingung, die nicht vorhanden sein darf. Etwas, mit dem es nicht geht.
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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Willimox » Di 23. Apr 2013, 07:38

Salute,

eine notwendige Bedingung, also eine conditio sine qua non, ist abgegrenzt von einer hinreichenden Bedingung:

Mindestens einer der Anwesenden dieses Forums muss verheiratet sein, damit (möglicherweise) alle Anwesenden verheiratet sind. (notwendige Bedingung)

Wenn aber alle Anwesenden verheiratet sind (hinreichend), dann ist auf jeden Fall (auch) mindestens einer von ihnen verheiratet.

Liegt nun aber eine "conditio sine qua non" nicht vor, besser: wird sie nicht durch die Situation verifiziert, dann kann auf keinen Fall die Annahme stimmen, dass alle verheiratet sind.

In der antiken Logik - das ist sicher bekannt - firmiert das unter "modus ponens" und "modus tollens".
Dabei läuft das Verfahren des "modus tollens" darauf hinaus, nachzuweisen, dass eben keine notwendige Bedingung vorliegt. Ein wichtiges Prüf- und Argumentationsverfahren, erlaubt es doch die Falsifikation von Aussagen, oft jedenfalls.

Ein entsprechender Gegen-Terminus ist meines Wissens nicht gängig gegeben. Liegt vielleicht daran, dass man ja eben von der Nichterfüllung einer conditio sine qua non sprechen kann:

(¬B ∧ (A → B)) → ¬A

oder ein T-Shirt:

Bild

Immer wenn eine aktuelle Lungenentzündung vorliegt, tritt hohes Fieber auf.
Nun liegt kein hohes Fieber vor.
Also keine Lungenentzündung.

Analog formuliert:

Nur wenn hohes Fieber vorliegt, kann eine aktuelle Lungenentzündung vorliegen.
Nun liegt kein hohes Fieber vor.
Also kann keine aktuelle Lungenentzündung vorliegen.
Vale

willi wamser

:book:
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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Reisender » Di 23. Apr 2013, 07:46

Vielen Dank für die Antwort.

Mir geht es eher um das Folgende:

A → ¬B
A
_
¬B

Wie könnte man A bezeichnen? Und um das ganze noch komplizierter zu machen: Ich suche einen Begriff, den auch Engländer verstehen, von daher kam ich auf Latein.
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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Willimox » Di 23. Apr 2013, 07:55

Nun ja, :wink:
das Nichtvorhandensein einer notwendigen Bedingung für Lungenentzündung
ist eine hinreichende Bedingung für das Nichtvorhandensein einer Lungenentzündung.
Anders herum: Mit den bestehenden Basics wird ein komplexer Fall ganz gut erfasst?

Und ähnlich:

A → ¬B
A
..............
¬B
Immer wenn ein Becher aus purem Gold ist, dann ist er nicht aus Messing.
Der Becher ist aus purem Gold.
Er ist nicht aus Messing.

Da der Becher aus Gold ist, kann er nicht aus Messing sein.
Das heißt: Die beiden Aussagen schließen sich aus,
Nun kann aber vorliegen, dass der Becher weder aus Gold noch aus Messing ist.
Insofern liegt eine konträre Beziehung in der Implikation vor,
keine kontradiktorische (A → ¬A).....

Hier ein Ausblick in die Terminologie des "logischen Quadrats" (mit "contrarius" und " "contradictorius" und ....):

Bild

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/8/82/Quadrat_1757.jpg
greetse
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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Prudentius » Di 23. Apr 2013, 08:53

Vielleicht kann man es noch ertwas einfacher sagen, Gegensatz zu der notwendigen Bedingung ist die nicht-notwendige Bedingung, dafür haben wir die beiden Hilfsverben müssen und können.
"Der deutsche Reichskanzler muss ein Deutscher sein" (fällt mir gerade so ein), d.h. der Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft ist notwendige Bedingung für das Amt.
"Das Viereck kann ein Rechteck sein", die Rechteckseigenschaft ist nicht notwendig für die Viereckseigenschaft.

Wie aber würde man einen Zustand bezeichnen, der einen anderen verhindert?


Wenn du den einen Zustand als A bezeichnest, dann den anderen als "non-A".
Der Zustand, dass einer Nicht-Europäer ist, verhindert, dass er Europäer ist.

Gruß P. :)
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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon romane » Di 23. Apr 2013, 12:20

aber ein MUSS ist nicht immer eindeutig
Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon RM » Di 23. Apr 2013, 18:57

Das Gegenteil einer "condicio sine qua non", also einer Bedingung, ohne die es nicht geht, wäre eine "exceptio" oder "exclusio", also eine Ausschlussklausel bzw. ausschließende Bedingung. Die Begriffe werden in den Digesten erklärt:
Exceptio dicta est quasi quaedam exclusio, quae opponi actioni cuiusque rei solet ad excludendum id, quod in intentionem condemnationemue deductum est.
(Just, Dig, 44, 1, 2, 1)
Ausschlussklausel heißt auf Englisch übrigens "exclusion clause".

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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Reisender » Mi 24. Apr 2013, 01:32

Vielen Dank für die Antworten! Ihr seid großartig!
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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Prudentius » Mi 24. Apr 2013, 10:34

Mir geht es eher um das Folgende:
A → ¬B
A
_
¬B


Man kann es durch ein Mengendiagramm veranschaulichen:
A → B
wird dargestellt durch einen Kreis A, der ganz in einem Kreis B liegt; mit Hilfsverb ausgedrückt: "A muss B sein."

A → ¬B
¬B ist das ganze Äußere von B; dann liegt A ganz im Äußeren von B; also "A kann nicht B sein", oder "A und B schließen sich aus".
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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Laptop » Mi 24. Apr 2013, 12:49

Ich glaube gemeint ist vom OP, ein “No-Go”. Wenn jemand mit der und der Kleidung auf dem Empfang erscheint, wird er nicht eingelassen. “Condicio” kann ja auch Umstand bedeuten: ein Umstand, unter dem es auf keinen Fall geht.

Wäre das eine "conditio cum qua non"? Ergibt das überhaupt Sinn? Kann eine conditio ein verhinderndes Element bezeichnen? Und ist der Satz grammatikalisch richtig?

Auf die Fragen: Ja, man könnte condicio (mit “c”) cum qua non sagen. Ja, ergibt Sinn. Ja, kann ein verhinderndes Element bezeichnen.
SI·CICERONEM·ÆMVLARIS·VERE·NON·VIVAS (get a life!) OBITER·DICTVM·BREVITAS·DELECTAT (keep it short and simple = kiss)
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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon RM » Mi 24. Apr 2013, 19:02

@Prudentius & Laptop: Euer Rückgriff auf die mathematisch-logische Terminologie ist zwar nett, aber eigentlich hat das ja mehr etwas mit der Juristerei zu tun ... :wink:

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Re: Gegensatz zu "conditio sine qua non"

Beitragvon Prudentius » Mi 24. Apr 2013, 20:40

Euer Rückgriff auf die mathematisch-logische Terminologie ist zwar nett,


Hallo RM,

Komplimente nehmen wir ja gern entgegen, bedenke aber, das ist ja untrennbar verbunden, die Juristen müssen logisch geschult sein, um stichhaltige Argumente vorbringen zu können,

Gruß P. :)
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