Catull, c. 24

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Catull, c. 24

Beitragvon Penthesilea » Do 9. Mai 2013, 00:09

Cari sodales

Ich bemühe mich um eine präzise Übersetzung eines Iuventius-Gedichts Catulls. Fett hervorgehoben sind die Stellen, bei denen ich etwas unsicher bin. Könnt Ihr weiterhelfen? Vielen Dank!

o qui flosculus es Iuuentiorum
non horum modo sed quot aut fuerunt
aut posthac aliis erunt in annis
mallem diuitias Midae dedisses
isti cui neque seruus est neque arca
quam sic te sineres ab illo amari.
qui. non est homo bellus? inquies. est
sed bello huic neque seruus est neque arca.
hoc tu quam lubet abice eleua que
nec seruum tamen ille habet neque arcam.

1) Ist mallem einfach ein Irrealis der Gegenwart? Also: "Ich würde lieber wollen... (wörtlich)."
2) sineres: Fehlt hier nicht irgendwo ein ut? Also: mallem ut sineres? "Ich würde lieber wollen... dass Du ... als dass Du so erlaubst...."
3) Haben wir einmal: mallem + ACI (dedisses) und dann mallem + Konjunktiv (sineres)?
4) Worauf bezieht sich sic? "... als dass Du es so erlaubst, dass..." vs. "... dass Du von ihm so geliebt wirst." Ich tendiere zur ersten Variante, also sic sineres.
5) Wo kann ich nachschlagen, was es mit dem Geschlecht der Juventier auf sich hat? (Keine Sklaven oder Freigelassene, sondern Aristokraten?)

Vielen Dank im Voraus!
Zuletzt geändert von Penthesilea am Do 9. Mai 2013, 10:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Catull, c. 24

Beitragvon Prudentius » Do 9. Mai 2013, 10:00

Hallo Penthesilea,
ich versuche mal zu antworten.

1) Ist mallem einfach ein Irrealis der Gegenwart?


Das schon, aber ich würde darin ein Signal für den folgenden irrealen Wunschsatz sehen, eine Arrt Hilfsverb oder sowas wie "utinam".
"Ich wollte, du hättest dem lieber viel Geld geschenkt als dich von ihm lieben lassen", Kritik an untüchtiger Gewerbeausübung.

2) sineres: Fehlt hier nicht irgendwo ein ut?


Es geht auch ohne ut; sinere "lassen", nicht erlauben.

Haben wir einmal: mallem + ACI (dedisses)


Das ist kein ACI.

4) Worauf bezieht sich sic?


Es hat eine "deiktische", hinweisende Bedeutung, spielt auf etwas stadtbekanntes an.

5) Wo kann ich nachschlagen, was es mit dem Geschlecht der Juventier auf sich hat?


Fiktiver Name, du darfst dir darunter vorstellen, was du willst.

Gruß P. :)
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Re: Catull, c. 24

Beitragvon Sokrates » Do 9. Mai 2013, 10:12

salve, Penthesilea

1) mallem ist zwar Konjunktiv Imperfekt, aber hier ist es ein erstarrter Indikator für den irrealen Optativ, den du im Konj. Plusquamperfekt findest. also= es wäre mir lieber geweseb, wenn...oh dass du doch ...gegeben hättest oder ähnliches.

2) mallem geht mit fast allem zu konstruieren, aber eben wenn es ein "echtes" Modalverb ist. sinere geht mit AcI oder ut (Konj.), aber der Komparativsatz mit quam kommt wegen der vergleichenden Bedeutung von malo zustande; zwar liebt er ihn wohl faktisch, aber die ganze Aussage ist irreal-konjuntivisch, daher auch dort Konjunktiv, nur eben Imperfekt, also ist sineres nicht so parallel zu dedisses.

3) woher nimmst du den AcI?

4) ich denke am sinvollsten emphatisches oder wenigstens pointiertes sic....amari!


LG
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Re: Catull, c. 24

Beitragvon Sokrates » Do 9. Mai 2013, 10:13

veniam ut mihi des, opto, o care Prudenti! :o
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Re: Catull, c. 24

Beitragvon Penthesilea » Do 9. Mai 2013, 10:19

Vielen Dank, Prudenti und Sokrates!

O je, um 23 Uhr nachts war ich wohl schon ziemlich übermüdet.... :oops:
Natürlich ist das kein ACI nach mallem, sonst müsste ja statt dedisses einfach dedisse stehen.

Also hängt von mallem ab: .... dedisses .... sineres. Richtig?
Nun gut, da haben wir nach mallem einmal PQP Konj. (dedisses) und einmal Imperfekt Konjunktiv (sineres).
Aber ich hab jetzt ein Durcheinander: dedisses als Irrealis der Vergangenheit und sineres als Irrealis der Gegenwart?
Oder spielt das hier keine Rolle, weil es wie ein Nebensatz der oratio obliqua, der sich nach der consecutio temporum richtet? Dagegen spricht aber, dass mallem kein verbum dicendi ist.
Oder ist das im Sinne von Konditionalsätzen aufgebaut, dieses mallem... dedisses... sineres?

Vielen Dank für die Hilfe im Voraus!
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Re: Catull, c. 24

Beitragvon Sokrates » Do 9. Mai 2013, 10:34

Menge § 572, 3 :)

orat. obliqua ist es nicht, Modusattraktion auch kaum, und konditinal (zumindest im klassischen Sinne mit si...) auch nicht, aber die Irrealität des Wunsches erstreckt sich, wenn auch in unterschiedlichen Zeiten, auch auf den Vergleich: hättest du doch besser das getan, als jenes zu tun (= als dass du jenes tätest, also irreale Gegenwart).

LG
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Re: Catull, c. 24

Beitragvon Zythophilus » Fr 10. Mai 2013, 15:05

mallem als Imperf.Konj. ist sinnvoll: "ich würde es lieber wollen", aber es war ja nicht so. Dann kommt unverbunden der Wunsch dedisses. Ich gehe davon aus, dass hier eine ugs. Ausdrucksweise vorliegt, dedisses ist ein bisschen dem mallem untergeordnet, aber irgendwie auch beigeordnet.
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Re: Catull, c. 24

Beitragvon Sokrates » So 12. Mai 2013, 10:48

salve,
deine Deutung ist auch interessant, Zythophile! Das muss man auch erstmal sehen :klatsch:
Aber ich meine, dass mallem trotzdem -zumindest indirekt- eine Vergangenheitsbedeutung innewohnt, auch wenn man es nicht direkt mit dem Kj. Plq. assoziieren mag. Denn dieser erscheint sehr selten als irrealer Optativ ohne jede Einleitung/Partikel oder eben erstarrte Form. Darüberhinaus kann das Imperfekt auch den Irr. der Vergangenheit bezeichnen, aus dieser Bedeutung hat sich dann ja erst die Verwendung im Optativ entwickelt. Vergleiche zum Kj. Imperf. etc. bei Catull besonders Maurach, Lateinsiche Dichtersprache § 83!
Im Altlatein ist mallem eben auch gleich "ich hätte wohl lieber gewollt" etc., vf. Kühner II, 1, § 46, 3 Ende (und § 47 5, Anm. 2) , was schön die Entwicklung aufzeigt. Ebenso könnte man eventuell ein sprachhistorisches Äquivalent mit ὥφελον beim irrealen Wunsch aufzeigen, vielleicht auch ähnlich ist festen Phrasen ein ἐβουλόμην ἅν= ich hätte gern gewünscht (entstanden als Pot. der Verg.) oder bloßes ἐβουλόμην= (ich wollte mal=) ich möchte gern. Unabhängig vom Aspekt könnte das ein Ansatz sein.
In den meisten Übersetzungen und auch in den Interpretationen von Syndikus bleibt das schwammig, sodass nicht ganz klar wird, wie eng mallem an einer "erstarrten" Wunschform, ausgehend vom vergangenen Irrealis, heranrückt. :nixweiss:

Ist das zu konfus gedacht?
Was sagen andere dazu??

LG
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Re: Catull, c. 24

Beitragvon Medicus domesticus » So 12. Mai 2013, 11:54

Sehe ich auch so. Was macht Prof. Niklas Holzberg [*] mit mallem?
--> ich hätte lieber gewollt,... :-D

[*] Catull, TVSCVLVM-Ausgabe 2009; S.35.
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Re: Catull, c. 24

Beitragvon Zythophilus » So 12. Mai 2013, 13:57

Viel Unterschied ist natürlich nicht, doch Catull äußert hier einen Wunsch, den er jetzt noch hat, der sich aber auf etwas Vergangenes bezieht, das nicht eingetreten ist. Bei quam steht dann auf jeden Fall Imperf. Konj. sineres und das bezieht sich auf die Gegenwart. Der Angesprochene tut das und lässt sich offenbar auch nicht davon abbringen.
mallem scheint wie auch uellem schon fast zu einer Konjunktion geworden zu sein.
Wenn man sich Ov. Met. III 467s.:
o utinam a nostro secedere corpore possem!
uotum in amante novum, uellem, quod amamus, abesset
ansieht, ist das uellem etwa dasselbe wie utinam zuvor.
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Re: Catull, c. 24

Beitragvon Sokrates » So 12. Mai 2013, 14:40

slave,
@ Medice: na, das klingt doch gut, und der Übersetzer muss es wissen!! :D
@ Zythophile:
einen Wunsch, den er jetzt noch hat, der sich aber auf etwas Vergangenes bezieht, das nicht eingetreten ist.
sehr kunstvoll gedacht, es trifft genau den Kern. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass mallem in irgendeinem modalem Zusammenhang mit dem Kj. Plq. dedisses steht, beides isoliert zu sehen ist schwierig.Kurz gesagt ist mallem zwar im Lateinischen aufgrund der Kombination mit einem Irrealis schon irgendwie wie ein Plusquamperfekt (nicht als Ausdruck der Vorvergangenheit, sondern wegen des Konj. eben als Wirklichkeitsgrad der "Nicht-Wirklichkeit" in der Vergangenheit) zu werden, was im Deutschen eigentlich keine Probleme macht, weil es anders als bei indirekten Fragen keine Tempusverschiebung gibt. Nur ist das mallem von der Form her natürlich Imperfekt, was sich aus den ausgeführten Bedeutungen herleitet (also in diesem Falle doch eine Zeitverschiebung in der dt. Übersetzung) und beim Lateiner immer noch mitschwingt. Dadurch erstreckt sich der Wunsch eben auch noch indirekt auf die Gegenwart, was ersichtlich wird, wenn man den Konjunktiv im Gliedsatz vergleicht. Der ist natürlich irreal, aber auf die aktuelle schlechte Situation bezogen. Dabei ist sineres nicht auf einer Eben mit dedisses, weil es kein selbstständiger Wunsch mit "Einleitungspartikel" ist, sondern ein an sich realer Sachverhalt, der wegen der Formluierung der gesamten vergleichden Konstruktion freilich auch im Irrealis stehen muss.

Ich hoffe, dass ist nicht kryptisch, aber ich verstricke sich bei diesen Dingen ziemlich leicht...
Gerne weitere Belege,

LG
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