2 x subcineritius

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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2 x subcineritius

Beitragvon Laptop » Mi 19. Jun 2013, 18:36

Salve. Ich habe ein Problem mit dem Wort subcineritius/subcinericeus, was zweimal in diesem Text auftaucht. An der ersten Textstelle in der Schreibung "subcineritius", mit unbekanntem Sinn. An der folgenden Textstelle als "subcinericeus" im herkömmlichen Sinn "Aschenbrot" (das ist für mich eindeutig, da es synonym zu encryphias genannt wird).

Frage: welche Brotsorte ist an der ersten Textstelle gemeint? was ist ein streptos zu dem es synonym sein soll? Streptos ist soweit ich weiß ein Kringel od. Wirbel od. Spirale. Es gibt im Englischen das "twist bread", unser "Stockbrot", das um einen Stock gewickelt über glühender Asche gebacken wird. Aber das wäre super cinerem coctus, nicht sub cinere coctus. Oder wurde das Stockbrot auch früher mal unter die Asche gelegt? Ich weiß es nicht.

Hinweis: es ist das Kapitel über Brote, d. h. es ist bei den jeweiligen Adjektiven jeweils ein "panis" gedanklich zu ergänzen: panis subcineritius, etc.

(Der Text ist aus WILLICH, Ars magirica, 17. Jhd.)

In furno coctus κλιβανίτης, qui dicitur & teſtuaceus: ex melle, vuis paſsis & odoramentis confectus, ναστὸς, Marcepan. Subcineritius στρεπτός. ex farina depurgata, σητάνιος. ex hordeo καχρυδίας. Illius fruſtum ψωμὸς eſt, & ψομίον & ἔνθεσις, id eſt, buccea & buccella, pro qua & plærique ofellam capiunt, nempe pro fruſto panis, quod iuri intinctum eſt. Heſiodus autem ἄρτον τετράτρυψον καὶ ὀκτάβλωμον ſeruo aranti tribuendum eſſe admonet. Hic dicitur à materia ſiligineus, Græce σιλιγνίτης: triticeus, πύρινος, auenaceus, furfuraceus, vt cui furfur ſimul cum tritico commiſcetur, qui aliâs dicitur αὐτόπυρος ſeu συγκόμιστος, cui nonnihil pollinis tenuiſsimo incerniculo adimitur, qui à Celſo quoque laudatur. hic quoque ciuilis dicitur, à frequenti ciuium vſu. in autopyro nihil cribro excuſſum eſt, in quo triticum totum eſt, ideo & συγκόμιστος dicitur, in quo omnia ſimul collata ſunt. apud Ciceronem cibarius panis, quem Budæus à ciuili ſegregat: apud Galenum πιτυρίας: aut à commiſtione fermenti, zymites, ζυμίτης, id eſt, fermentatus: vt azymus, non fermentatus, qui tamen plus illo nutrit. Aut ex ratione panificij nomen ſortitur. Nam ſi ſub cinere coctus fuerit, encryphias, (qualis à ſimylo piſtus in Moreto Virgilij) ſeu ſubcinericeus, à furno furneus ſeu artopticius. Nam Græcis ἀρτόπτης furnus eſt, [vel potius teſtus aut teſtum, id eſt, vas in quo panis excoquitur.]
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 19. Jun 2013, 19:53

Salve Laptop,
Hoch interessant dazu ist hier Seite 84:
http://archive.org/stream/technologieun ... 4/mode/2up
Aber blättere ruhig mal vor und zurück... ;-)
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon RM » Mi 19. Jun 2013, 22:51

Schau doch mal das hier an: http://imslp.org/wiki/Ich_esse_nichts_als_Aschenbrot,_GWV_1137/13_(Graupner,_Christoph)
Graupner war Komponist und Kapellmeister der Darmstädter Hofkapelle.
Aschenbrot oder Aschenkuchen ist einfach ein Brot, das in heißer Asche gebacken wird, gibt's schon in der Bibel (Vulgate, Gen, 17, 6, 2; Exod, 12, 39, 2; Judg, 7, 13, 3). Scheint nicht besonders teuer und wohl eher eine Speise für einfache Leute gewesen zu sein. Eigtl. heißt das "subcinericius", steht auch so im Georges.

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P.S.: Warum postest Du das nicht unter der antiken Küche?
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon Laptop » Do 20. Jun 2013, 11:15

@Medicus @RM Wenn man diesen Thread in den Küchenbereich verschieben möchte, stimme ich dem zu. Aus Blümner kann ich leider keine neuen Erkenntnisse ziehen. Er sagt ja nichts weiter als daß panis subcinericius mit Asche bedeckt gebacken wurde. Meine Frage war, was für ein Brot der Autor mit "subcineritius" an der ersten Textstelle meint und mit streptos gleichsetzt. Und ob der Autor mit den unterschiedlichen Schreibungen "subcineritius" und "subcinericeus" bewußt zwei Brotsorten unterscheiden will?
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon RM » Do 20. Jun 2013, 19:13

Laptop hat geschrieben:Und ob der Autor mit den unterschiedlichen Schreibungen "subcineritius" und "subcinericeus" bewußt zwei Brotsorten unterscheiden will?

Mit Sicherheit nicht. Damals war die Rechtschreibung noch relativ arbiträr (obwohl man zu der Zeit ein Wörterbuch hätte anschauen können). Aber es gab verschiedene Sorten "panis subcinericius", einmal aus Weizenmehl, einmal aus Gerstenmehl etc. An der ersten Stelle schreibt er, aus was es gemacht wird, an der zweiten Stelle bringt er noch ein bisschen Vokabular.

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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon Laptop » Do 20. Jun 2013, 22:02

@RM Gehe ich denn recht in der Annahme, daß streptos hier ein Synonym zu subcineritius ist? Oder handelt es sich um ein Attribut, so daß der komplette Ausdruck “panis subcineritius streptos” lautet? Oder gehört zw. subcineritius und streptos ein Komma und beide haben nichts weiter miteinander zu tun, als daß sie "ex farina depurgata" hergestellt werden? Wenn es sich auf "ex farina depurgata" bezieht, warum steht dann nach streptos ein Satzpunkt? Ich verstehe es nicht.

Als Interpretationshilfe kann man das Plagiat von STUCK nehmen, dort findet sich die Interpunktion mit
Komma statt Satzpunkt: «[…] Marcepan. Subcineritius στρεπτὸς, ex farina depurgata, […]»

(STUCK = Johann Wilhelm Stuck, Sacrorum, sacrificiorumque gentilium breuis et accurata descriptio …)
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon Medicus domesticus » Do 20. Jun 2013, 22:15

Ich fasse es als attributiv auf. Griechischer Ausdruck für "Kringel" in Kombination mit einem lat. Adjektiv. Beides ist ja masculin.
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon Laptop » Do 20. Jun 2013, 22:22

Ah, also statt einem “panis subcineritius” ein “streptos subcineritius”. Das könnte es sein, danke Medicus!

Willich war Deutscher. Wenn es so ist wie du es deutest, Medicus, dann nehme ich an Willich umschreibt hier lateinisch ein dt. Wort, was er als einen Ausdruck kannte, etwas wie “Aschkringel” od. dgl.

Zu “Kringel” in Verbindung mit “Asche” finde ich aber nichts bemerkenswertes, bloß das hier bei Grimm: «collirida, ein kringel ader weck ader kuche in dem oven oder in der aschen gebacken. voc. opt. Lpz. 1501 F 6a (jetzt in Leipzig unbekannt);»
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon Medicus domesticus » Do 20. Jun 2013, 22:32

Genau. So sehe ich das auch.
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon Medicus domesticus » Do 20. Jun 2013, 22:37

Genau. So sehe ich das auch: ὁ στρεπτός (eine Art Kuchen (oder auch Brot), etwa "Kringel" [Gemoll]). Also ein Kringel in Asche gebacken, aus feinem durchgesiebten Mehl.
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon Laptop » Do 20. Jun 2013, 22:40

Diese Deutung ist plausibel. Mi placet quidem.
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon RM » Fr 21. Jun 2013, 07:58

So wie das Ganze klingt, sind es meist griechische Synonyme bzw. Übersetzungen, keine Attribute (das "ψωμὸς eÅ¿t" deutet darauf hin):

"<Panis> In furno coctus" ist "κλιβανίτης", das man auch "teſtuaceus" nennt
"<Panis> ex melle, vuis paſsis & odoramentis confectus" ist "ναστὸς" oder "Marcepan".
"<Panis> Subcineritius" ist "στρεπτός".
"<Panis> ex farina depurgata" ist σητάνιος.
"<Panis> ex hordeo" ist καχρυδίας.
"Illius fruſtum" ist ψωμὸς,
& ψομίον & ἔνθεσις, id eſt, buccea & buccella,


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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon Laptop » Fr 21. Jun 2013, 12:15

@RM So habe ich die Gliederung zuerst auch gedeutet. Zumal die Interpunktion auch in diese Richtung geht: (Satzpunkt) subcineritius (subaudi: vocatur) streptos (Satzpunkt).

Schwierig ist, daß ich kaum sehe wie man streptos mit subcineritius gleichsetzen kann. Was haben die beiden miteinander gemein? Zuerst kam ich assoziativ wie gesagt von en. twist (Kringel) zu en. twist bread (unser "Stockbrot"), was um einen Stock gewickelt wird / wurde, wie eine Spirale. Nur dreht sich der Stock über der Glut, nicht unter der Glut, das paßt nicht so recht zu subcineritius. Es sei denn man legt subcineritius ganz weit als “äscherig” oder “an der Glut bebacken” aus. Z. B. geben Lexika aus der damaligen Zeit tatsächlich die dt. Entsprechung “äscherig” an.
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon Laptop » Fr 21. Jun 2013, 12:31

Nun habe ich etwas gefunden. In Gesners Lobrede auf Willich (am Ende des Buches) erwähnt Gesner dankenswerter Weise eine Reihe von Büchern, die als Quelle hergehalten haben. Darunter findet sich
«Cibi & panes diuerſi, Textor in officina, 597.» Bei Textor findet sich «Strepitus ſiue Streptos ex lacte, oleo, pipere conficitur, aut olei loco adipe.» Aber ob das weiterhilft :?
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Re: 2 x subcineritius

Beitragvon RM » Fr 21. Jun 2013, 19:21

In welcher Textor-Ausgabe hast Du geschaut?
Aber egal, man muss auf jeden Fall drei Dinge unterscheiden:
1) die Zutaten,
2) die Form,
3) die Backtechnik.
"Streptos" scheint sich zunächst mehr auf die Form zu beschränken. Warum sollte man das nicht in der Asche backen können? Die Frage wäre eher, woher Willich diese Entsprechungen hatte. Aus Konstantinopel?

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