Aeneis I,154-156

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Aeneis I,154-156

Beitragvon gulf » Fr 16. Aug 2013, 11:42

Salvete,
ich kann die Konstruktion aufgrund der recht vielen Konjunktionen und Partizipien nicht völlig klar nachvollziehen bzw. anhand einer Übersetzung rekonstruieren. Kann man folgende Verse daher so übersetzen?

sic cunctus pelagi cecidit fragor, aequora postquam
prospiciens genitor caeloque invectus aperto
flectit equos curruque volans dat lora secundo.

So verfiel alles Getöse des Meeres, nachdem der Vater/Neptun, die Meeresoberfläche betrachtend,
in den freien Himmel losgefahren war, (nun) die Pferde lenkt und auf folgsamen Wagen fliegend die Zügel locker lässt.

Danke schonmal!
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon romane » Fr 16. Aug 2013, 11:55

caelo aperto ist Abl.
Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon SursumDeorsum » Fr 16. Aug 2013, 12:05

Ich glaube, caelo aperto ist ein Richtungsdativ zu invectus.
Pangere non potuit nisi potus scurra Cratinus;
sunt mihi fata eadem: Pierides madeant!


Mox Melitam multo mala murmure maltha migrabit.

Iuppiter est, quodcumque vides, quodcumque moveris.
Sortilegis egeant dubii semperque futuris
Casibus ancipites: me non oracula certum,
Sed mors certa facit. Pavido fortique cadendum est:
Hoc satis est dixisse Iovem.
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon romane » Fr 16. Aug 2013, 13:17

bei offenem Himmel
Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon SursumDeorsum » Fr 16. Aug 2013, 13:46

Gerhard Fink übersetzt auch Ablativ, ja - trotzdem, schon allein wegen der Elision würde ich hier einen Dativ ansetzen, so dass auch im Schriftbild der Wagen "in den Himmel hineinfährt" (caeloqu(e) invectus aperto). Belegstellen für invehi mit Richtungsdativ sind zwar selten, aber es gibt sie. z.B. bei Livius invehi litori.
Pangere non potuit nisi potus scurra Cratinus;
sunt mihi fata eadem: Pierides madeant!


Mox Melitam multo mala murmure maltha migrabit.

Iuppiter est, quodcumque vides, quodcumque moveris.
Sortilegis egeant dubii semperque futuris
Casibus ancipites: me non oracula certum,
Sed mors certa facit. Pavido fortique cadendum est:
Hoc satis est dixisse Iovem.
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon gulf » Fr 16. Aug 2013, 15:05

SursumDeorsum hat geschrieben:Gerhard Fink übersetzt auch Ablativ, ja - trotzdem, schon allein wegen der Elision würde ich hier einen Dativ ansetzen, so dass auch im Schriftbild der Wagen "in den Himmel hineinfährt" (caeloqu(e) invectus aperto). Belegstellen für invehi mit Richtungsdativ sind zwar selten, aber es gibt sie. z.B. bei Livius invehi litori.


Ja... wegen des Präfix "in-" hatte ich mich an dieser Stelle auch für eine Richtung entschieden. An früherer Stelle in meinem Kommentar stand beispielsweise auch, dass bei Ortsangaben die Präpositionen (wohl metri causa) fehlen. An dieser Stelle wurde jetzt nichts explizit dazu gesagt, aber im Zweifelsfall ist das Metrum ja immer ein Erklärungsgrund... :D

Den Rest kann man grammatisch so stehen lassen? :)
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon Laptop » Fr 16. Aug 2013, 16:56

Aber "offener Himmel" bezeichnet die Wetterlage, nicht etwas das für einen Eintritt offensteht, auch wenn es so klingen mag.
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon Tiberis » Fr 16. Aug 2013, 17:15

außerdem: "in den himmel hineinfahren" und gleichzeitig "die meeresoberfläche betrachten" wäre schon etwas seltsam.. :D
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon Prudentius » Fr 16. Aug 2013, 19:28

ich kann die Konstruktion aufgrund der recht vielen Konjunktionen und Partizipien nicht völlig klar nachvollziehen


Hallo Gulf,

du hast den postquam-Satz nicht richtig konstruiert, bei dir hat der nachdem-Satz drei Prädikate, das ist eins zuviel! Außerdem hast du seltsame Tempus-Sprünge von Plusqpf. zu Präsens, das passt nicht zusammen.

"So war das ganze Meeresgetöse verstummt, nachdem der Göttervater abgebogen war und den Rossen freien Lauf gewährt hatte", ungefähr sinngemäß.
Ich denke auch, caelo aperto ist abl., gibt die Wetterlage an, Antithese zum vorherigen Sturm.
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon Zythophilus » Fr 16. Aug 2013, 19:44

Wer ist überhaupt mit genitor gemeint?
Ohne mich näher damit beschäftigt zu haben, sehe ich nur zwei, die in Frage kommen, Neptunus und Aeneas, doch für beide passt die Aussage "in den Himmel hineingefahren" nicht. Eine männliche Gottheit, zu der genitor passt und die auch in diese Richtung fährt, kommt nicht vor.
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon Zythophilus » Fr 16. Aug 2013, 19:52

Mit einem zweiten Blick fällt mir schon auf, dass Aeneas nicht gemeint sein kann. Es muss Neptunus sein, der ja auch, als der Spuk losgeht, an seinem normalen Platz ist (I 124 - 127). Natürlich könnte er nachher in den Himmel fahren, aber innerhalb der Handlung hätte diese Fahrt, die ja doch nicht zu erwarten ist, keine Begründung. Sie wird nicht erklärt, und eine Anwesenheit Neptuns im Himmel ist für die Handlung nicht nötig.
Zuletzt geändert von Zythophilus am Fr 16. Aug 2013, 19:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon Medicus domesticus » Fr 16. Aug 2013, 19:57

Mit genitor ist hier Neptun gemeint. caeloque ... aperto (=sereno) ist im Prinzip ein Ablativ der begleitenden Umstände (bei heiterem Himmel). Neptun fährt ja quasi auf den Meereswellen und nicht in den Himmel hinauf.
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon gulf » Fr 16. Aug 2013, 22:36

Tiberis hat geschrieben:außerdem: "in den himmel hineinfahren" und gleichzeitig "die meeresoberfläche betrachten" wäre schon etwas seltsam.. :D


Von oben kann man doch viel besser beobachten, was da unten so vor sich geht... 8) Aber prinzipiell gehört Neptun schon eher ins Wasser ;) Mein verwendeter Kommentar hatte allerdings "curru volans secundo" mit "auf folgsamem Wagen fliegt er dahin" übersetzt... das hatte meine Vorstellung, dass Neptun tatsächlich fliegt, bekräftigt.

Prudentius hat geschrieben:
ich kann die Konstruktion aufgrund der recht vielen Konjunktionen und Partizipien nicht völlig klar nachvollziehen


Hallo Gulf,

du hast den postquam-Satz nicht richtig konstruiert, bei dir hat der nachdem-Satz drei Prädikate, das ist eins zuviel! Außerdem hast du seltsame Tempus-Sprünge von Plusqpf. zu Präsens, das passt nicht zusammen.

"So war das ganze Meeresgetöse verstummt, nachdem der Göttervater abgebogen war und den Rossen freien Lauf gewährt hatte", ungefähr sinngemäß.
Ich denke auch, caelo aperto ist abl., gibt die Wetterlage an, Antithese zum vorherigen Sturm.


Hi Prudentius :)
ja der postquam-Satz war ein Problem. Als Perfekt (unter Elision von est) kam dort für mich nur invectus in Frage. Da du nun postquam + vermeintlich Präsens konstruiert hast, gehe ich davon aus, dass es sich um ein historisches Präsens handelt? Ein sehr nerviges Tempus...
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon Zythophilus » Sa 17. Aug 2013, 08:40

inuectus ist kein Prädikat sondern bloß part.coni. Das an caelo angehängte -que verbindet die beiden Partizipien (prospiciens und inuectus).
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Re: Aeneis I,154-156

Beitragvon consus » Sa 17. Aug 2013, 10:13

... genitor caeloque invectus aperto"
Salvete!
Haud absurdum interdum videtur esse etiam perpendere quid Servius (Aen. 1, 155) scripserit: "GENITOR venerabilis, ut “Thybri pater”. Ergo hoc nomen et ad verum patrem pertinet et ad honorem refertur. Sane veteres omnes deos patres dicebant. CAELOQVE INVECTVS APERTO non per caelum vectus, sed caelo iam sereno vectus per maria."
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