Klarets Glossar.

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Klarets Glossar.

Beitragvon Laptop » So 5. Apr 2015, 07:11

Salvete. Eine Frage zu Klarets Glossar, hier: (http://titus.uni-frankfurt.de/texte/etcs/slav/acech/klaret/klaret.htm) Klaret schreibt erfreulicherweise unter jedes Kapitel seine Quelle(n). Nun brauche ich die Quelle zum Kapitel “De armis”, und gerade da verstehe ich nicht:
Hec data Theutuníca dic apcius esse Bohema.
Ich verstehe nur ungenau soviel als “Diese Kenntnisse gab mir vielmehr die deutsche Sprache als die Böhmische” Stimmt das? :?
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Zythophilus » So 5. Apr 2015, 07:30

Wenn das Metrum halbwegs beachtet wird, dann ist Theutunica (der Akzent auf dem i ist wohl falsch) ein Ablativ. Bei Bohema ist nicht klar, ob das a lang (Abl.) oder kurz (Nom.) ist.
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Laptop » So 5. Apr 2015, 07:59

@Zythophilus Der Vers ist mit dem eingeschobenen “dic” auch seltsam zurechtgeschustert, da sind deine Verse wesentlich eleganter. Da Klaret selbst Böhme war, vermute ich Bohemica (seine Muttersprache) im ablativus comparationis: “vielmehr ... als das Böhmische”. Aber was will er mit Theutunica andeuten? Konnte er in diesem Kapitel keine genaue Quelle angeben und schrieb nur etwas vages, weil der formale Zwang ihn dazu nötigte einen Schluß-Hexameter über seine Quellen zu dichten?
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Zythophilus » So 5. Apr 2015, 08:26

Wenn es sich um zwei Ablative handelt, dann ist einer davon ein Abl. comparationis.
"Sag, dass das auf Deutsch passender wiedergegeben worden ist als auf Böhmisch." Oder umgekehrt.
Das Thema und die vielen nicht lateinischen Wörter machen es schwer, korrekte Hexameter zu schreiben. Da stellt sich die Frage kaum, ob es gar elegante Verse sein sollen.
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Prudentius » So 5. Apr 2015, 16:52

Ich würde es so versuchen: "Sag, dass (all)das sich besser (passender) in der böhmischen Volkssprache ausdrücken lässt", Abl. instr., nämlich besser als auf L., was ihm ja große Mühe gemacht haben muss; Deutsch kommt nicht vor, er setzt ja immer l. Termini zu den böhmischen dazu.
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Laptop » So 5. Apr 2015, 17:36

Prudentius hat geschrieben:Ich würde es so versuchen: "Sag, dass (all)das sich besser (passender) in der böhmischen Volkssprache ausdrücken lässt", Abl. instr., nämlich besser als auf L., was ihm ja große Mühe gemacht haben muss; Deutsch kommt nicht vor, er setzt ja immer l. Termini zu den böhmischen dazu.

Du meinst Theutunicus bedeutet bei Klaret “volkssprachlich, muttersprachlich”? Dagegen spricht, daß Klaret es an folgender Stelle i. S. v. “deutsch” (nyemecz) gebraucht:
Nyemecz Theutunicus, kaczierz hereticus, dacze Dacus

Ich finde auch sonst keinen Beleg für theutunicus=teutonicus i. S. v. “muttersprachlich”. Kannst du dazu etwas sagen :?

Was haltet ihr von folgenden Übersetzungs-Ansätzen:

A) theutunisca bohemica i. S. v. “deutsch-böhmisch”, etwa Das hier Gesagte ist eher deutsch-böhmisch (im Vergleich zu reinem Böhmisch). Dann gäbe es allerdings keine Ablative, und Zythophilus sagte ja theutunica müsse im Ablativ stehen.

B) Benenne das hier gesagte besser auf Deutsch (abl. instr.) als Böhmisch (abl. comp.).

Beides ist falsch, oder? :?
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Prudentius » Di 7. Apr 2015, 19:14

Noch ein Ansatz: "Sag, dass dieses besser (passender, angemessener) auf D. (oder) Böhmisch ausgedrückt ist" (als auf L.), ausdrückbar ist; vllt. hatte er den Eindruck, dass die l. Termini nicht so gut passten wie die heimischen.

Dass die beiden parallel gestellten Ablative unterschiedliche Bedeutungen haben sollten, ist eher unwahrscheinlich.

Hast du eine Idee, an wen sich der Imperativ dic richtet? Ist es eine bestimmte Person, ist der Leser allgemein angesprochen, ist es bloß eine aufmunternde Partikel?

Zu "apcius": in der Rhetorik gab es das Thema "apte dicere", Cicero hat in "de oratore" einen Abschnitt darüber.

Das ist ja ein erstaunliches Werk, es nennt sich bescheiden Glossar, ist aber eigentlich ein Universallexikon.
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Zythophilus » Di 7. Apr 2015, 20:13

Bei einem gebildeten Autor aus dieser Zeit und Region kann man doch annehmen, dass er unabhängig von seiner Muttersprache Tschechisch und Deutsch beherrscht. Da er lediglich tschechische Begriffe zu den lateinischen stellt, scheint ihm das eben aptius zu sein. Er denkt sich, dass das Tschechische besser dafür geeignet ist, und der Leser, der mit dic angesprochen wird, so es auch so machen.
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Laptop » Mi 8. Apr 2015, 04:06

Zythophilus hat geschrieben:Bei einem gebildeten Autor aus dieser Zeit und Region kann man doch annehmen, dass er unabhängig von seiner Muttersprache Tschechisch und Deutsch beherrscht. Da er lediglich tschechische Begriffe zu den lateinischen stellt, scheint ihm das eben aptius zu sein. Er denkt sich, dass das Tschechische besser dafür geeignet ist, und der Leser, der mit dic angesprochen wird, so es auch so machen.

Ich bin der Frage nachgegangen ob Klaret deutsch konnte. Er lebte in einer Zeit, die die Blütezeit deutsch-böhmischer Verbundenheit und Zweisprachigkeit war. Denn der Kaiser selbst war Böhmisch-Deutsch und kultivierte diese Verbundenheit. Es lebten damals sehr viele Deutsche in Böhmen.Insofern ist anzunehmen, daß Klaret Deutsch sogar gut beherrscht hat. Aber einen definitiven Hinweis dafür habe ich bisher noch nicht.

Prudentius hat geschrieben:Hast du eine Idee, an wen sich der Imperativ dic richtet? Ist es eine bestimmte Person, ist der Leser allgemein angesprochen, ist es bloß eine aufmunternde Partikel?

Gute Frage. Er benutzt dic über 100 mal, und zwar immer (soweit ich das sehe) im Sinne von “(be)nennen” nach dem Schema: Przibitek augmentum, przicína dic additamentum.

Prudentius hat geschrieben:Das ist ja ein erstaunliches Werk, es nennt sich bescheiden Glossar, ist aber eigentlich ein Universallexikon.
Ja, ein enorm umfangreiches Werk, das seltsamerweisee wenig Beachtung findet. Ich finde weder eine Übersetzung noch eingehende Sekundärliteratur (außer ein paar kurzen Schlaglichtern von Spáčilová, Pausch und Brauner). Das liegt wohl zum einen an dem kleinen Leserkreis, denn wer kein Tschechisch kann ist außen vor, und zum anderen an den vielen seltsamen Wortformen, angeblich zahlreiche Neologismen. Aber ich Frage mich wo die herkommen.


Nochmal resümierend.
Zythophilus’ Vorschlag Variante a) «Sag, dass das auf Deutsch passender wiedergegeben worden ist als auf Böhmisch.»
Zythophilus’ Vorschlag Variante b) «Sag, dass das auf Böhmisch passender wiedergegeben worden ist als auf Deutsch.»
Prudentius’ Vorschlag «Sag, dass dieses besser (passender, angemessener) auf D. (oder) Böhmisch ausgedrückt ist.»

Um an Prudentius Vorschlag anzuknüpfen: Das heißt, Klaret wollte soviel sagen wie: Lieber Leser, ich habe diese Hexameter hier auf Grundlage einer deu.-böh. Wortliste verfaßt, und in dieser Wortliste sind die Dinge trefflicher ausgedrückt, als hier auf lat.-böh.?
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Zythophilus » Mi 8. Apr 2015, 07:16

Der Autor, der sich im Text selber auch zweimal Bohemarius nennt, scheint dem Tschechischen mehr als dem Deutschen zugetan zu sein. Sein Werk ist ein lateinisch-tschechisches Lexikon (das erklärt er in V. 9 Hinc pro posse meo coniungo Latina Bohemo) in Versform, deutsche Wörter kommen, wenn ich keines übersehen habe, nicht vor.
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon consus » Mi 8. Apr 2015, 10:29

Das Folgende bitte nur als Nebenbemerkung zu diesem beeindruckenden Glossar betrachten:
Die Zeilen 566f. im VI. Kap. "Nomina terrarum" lauten nach der Übertragung in unser modernes Schriftsystem
Line: 566 Anglia tam Scoria, Tuskania Siciliaque
Line: 567 Austria, Galaria, Capadocia, Palemia dic,
Bei "Scoria" und "Galaria" handelt es sich wohl um "Scotia" und "Galatia", d.h. das in einer besonderen Form vorliegende t des Originals wurde vermutlich als r gedeutet. So könnte es durchaus sein, dass auch andere Stellen nicht einwandfrei transkribiert wurden. Daran sollte man vielleicht beim Lesen denken.
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Zythophilus » Mi 8. Apr 2015, 15:57

Das Glossar ist natürlich sehr umfangreich, aber der Nutzwert scheint mir nicht hoch, da man nur mit Mühe etwas findet. Wenn es verwendet werden kann, dann muss man eher vom Lateinischen ausgehen.
Es kommt mir eher als eine gelehrte Spielerei vor, in der Autor den lateinischen Wörtern ihre tschechischen Pendants zuordnet; das geschieht in Hexametern, oft leoninischen. Was die Metrik betrifft, funktioniert das Schema von Längen und Kürzen - im heutigen Tschechisch werden naturlange Silben mit einem Akzent angegeben - bei den tschechischen Wörtern meist nicht.
Von einem gewissen Wert, den das Werk als Kuriosität natürlich besitzt, abgesehen, ist es vermutlich eher für die Slawistik interessant, da es den Stand des Tschechischen in seiner Entstehungszeit darstellt.
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Laptop » Mi 8. Apr 2015, 19:26

consus hat geschrieben:Das Folgende bitte nur als Nebenbemerkung zu diesem beeindruckenden Glossar betrachten:

Guter Hinweis. Das sind ohne Zweifel ärgerliche Schludrigkeiten, die der ganzen Abschrift das Vertrauen nehmen. Denn selbst wenn es in der Original-HS so stand, wäre zu wünschen, daß der philologisch geschulte(?) Transkribent solche Stellen markiert, damit der Leser informiert wird ...
1) ... daß sie im Original auch so dastehen und keine Fehler des Transkribenten sind
2) ... daß es wahrscheinlich Fehler sind, und zwar nicht nach klass. Maßstäben, sondern auch nach mlat. Maßstäben
Geschieht das nicht, ist eine Abschrift kaum zu gebrauchen. :roll:

Zythophilus hat geschrieben:der Nutzwert scheint mir nicht hoch, (...) Es kommt mir eher als eine gelehrte Spielerei vor (...)
Ja, eine gelehrte Spielerei, womit sich Klaret ein Denkmal setzen wollte, nicht jemandem etwas beizubringen. Eine Art von Angeberei, wenn man so will.

Zythophilus hat geschrieben:Von einem gewissen Wert, den das Werk als Kuriosität natürlich besitzt, abgesehen, ist es vermutlich eher für die Slawistik interessant, da es den Stand des Tschechischen in seiner Entstehungszeit darstellt.
Für die Slawistik auch, aber nicht so sehr, denn das Altböhmische ist schon gut bekannt. Hingegen enorm ist der Wert für die historische Lexikalistik, denn Klaret bildet die Grundlage für Umbearbeitungen, die eine lange Tradition von Glossarien nach sich zieht. Sozusagen der Urvater einer lexikalischen Glossar-Ahnenlinie. Das ist der Aspekt mit dem ich die Sache auch angehe.
Zuletzt geändert von Laptop am Mi 8. Apr 2015, 21:20, insgesamt 6-mal geändert.
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Prudentius » Mi 8. Apr 2015, 19:34

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: der Satz ist vage in Bezug auf Wortbededeutungen und Zuordnung der Satzteile; infolgedessen können wir nur ansatzweise Übersetzungen vorschlagen; unsere Aufgabe als Übersetzer kann es nicht sein, den Autor zu verbessern; die Lücken, die er gelassen hat, brauchen wir nicht zu schließen.
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Re: Klarets Glossar.

Beitragvon Laptop » Mi 8. Apr 2015, 21:15

Prudentius hat geschrieben:Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: der Satz ist vage in Bezug auf Wortbededeutungen und Zuordnung der Satzteile; infolgedessen können wir nur ansatzweise Übersetzungen vorschlagen; unsere Aufgabe als Übersetzer kann es nicht sein, den Autor zu verbessern; die Lücken, die er gelassen hat, brauchen wir nicht zu schließen.


Schade, ich hoffte es könnte zu einem abschließenden Urteil kommen, was die Deutung des Satzes betrifft. Du darfst dir keine Fesseln anlegen, indem du dich als bloßen Übersetzer betrachtest. Das Tätigkeitsfeld des Philologen ist viel breiter, u. A. auch den Autor zu verbessern, wenn man genügend Gründe geltend machen (besser gesagt: argumentativ kommunizieren) kann ;-)
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