Ovid, Am III, 8

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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon marcus03 » Di 28. Jun 2022, 12:49

ille ego qui hat geschrieben: und ist nicht prädikativ bzgl. des Prädikats "exiit", sondern bzgl. "deleta".

aus dem als ganzem zerstörten Haus?

Warum geht das nicht prädikativ zu deleta? :?
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon ille ego qui » Di 28. Jun 2022, 14:13

Also dein Satz ist natürlich möglich und auch mit Prädikativum beschreibbar.

Aber meine Frage war ja die, ob und wie in einem Satz, wo "tota domo" als separativer Abl. von einem Prädikat abhängt, "tota" in Bezug auf eben dieses (!) Prädikat prädikativ gebraucht sein könnte.

:-)
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon iurisconsultus » Di 28. Jun 2022, 15:31

Sapientius hat geschrieben:"aus dem ganzen Haus" oder "ganz aus dem Haus"?

Ich wollte ja keine Diskussion starten und habe mich daher nur bedankt. Nachdem ihr das aber nun schon gemacht habt, will ich auch noch etwas sagen :) :

Die einzig sinnvolle Deutung (wenn man keinen Abl. abs. mit relicta oder so konstruieren will) war und ist für mich, dass die Bewohner gänzlich aus dem Haus verschwinden. Dann aber bezieht sich tota logisch nicht mehr auf domo, sondern eben auf die Bewohner (Enallage). Zu sagen, sie werden aus dem „ganzen Haus“ oder aus dem „Haus als ganzem“ weichen, was semantisch einerlei ist, erscheint mir redundant.
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon marcus03 » Di 28. Jun 2022, 16:49

iurisconsultus hat geschrieben:, sondern eben auf die Bewohner (Enallage).

Mit totus (Universaladjektiv) wäre es eine sehr ungewöhnliche Enallage.
Gewöhnlich wird diese m.E./m.W mit Adjektiven gebildet, die Eigenschaften ausdrücken.
Ich lasse mich aber auch gern vom Gegenteil überzeugen, si loci afferri possunt.
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon Sapientius » Di 28. Jun 2022, 17:41

... dass die Bewohner gänzlich aus dem Haus verschwinden. Dann aber bezieht sich tota logisch nicht mehr auf domo, sondern eben auf die Bewohner (Enallage).


Der "Dann-"Satz ist vorne richtig und hinten nicht mehr ganz, kommt mir vor: ich würde so sagen: "... Dann aber bezieht sich tota logisch nicht mehr nur auf domo, sondern auch auf das Prädikat cedent"; deshalb heißt ja das Gebilde "Prädikativum", weil es sich auf das Prädikat bezieht!
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon ille ego qui » Di 28. Jun 2022, 22:16

Unabhängig von Prädikativ oder nicht:
Im Deutschen denke ich an Sätze wie "Die Besatzung räumte das komplette Schiff. Aus jedem Winkel kamen Matrosen hervor und machten sich davon. Am Ende war das ganze Schiff leer."
Bene valete!
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon Sapientius » Mi 29. Jun 2022, 09:58

Die Beispiele sind förderlich, ich bringe einmal dieses vor: "Ich erzähle die ganze Geschichte" oder "ich erzähle die Geschichte ganz", beides auf L.: "Totam historiam narrabo".

Objektiv gesehen ist kein Unterschied da, beides ist richtig, aber es ist ein Unterschied im Aspekt, möchte ich sagen: beim ersten ist die Geschichte ganz, und beim zweiten ist die Erzählung ganz/vollständig.

So auch bei Ovid: bei attributivem Verständnis ist das Haus vollständig, und bei prädikativem die Räumung.

Ich tendiere eher für die prädikative Bedeutung.

Die Unterscheidung könnte weit getrieben werden: "Aequam memento rebus in arduis servare mentem,,,"; kann man bei dem Hyperbaton "aequam mentem" aequam prädikativ verstehen? "Gedenke, deine Seele ... im Gleichgewicht zu halten ..."?
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon ille ego qui » Mi 29. Jun 2022, 13:35

These:

Wenn das Haus „ganz“ ist, wäre das eher „integer“ o.ä.
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon iurisconsultus » Mi 29. Jun 2022, 15:24

Sapientius hat geschrieben:So auch bei Ovid: bei attributivem Verständnis ist das Haus vollständig, und bei prädikativem die Räumung.

Diese semantische Unterscheidung vermag ich ohne Annahme einer Enallage nicht zu sehen. Aber immerhin stimmst du meiner These im Ergebnis zu, dass nämlich tota (jedenfalls „auch“) auf cedent(= die Bewohner) zu beziehen ist. :)
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon ille ego qui » Do 30. Jun 2022, 10:30

Wobei man sagen muss, dass eine "gute" Enallage - wenn man hier denn eine annimmt trotzdem ihren Sinn hat.
Diesen habe ich ja mit diesen Beispielformulierungen zu fassen versucht:
"Die Besatzung räumte das komplette Schiff. Aus jedem Winkel kamen Matrosen hervor und machten sich davon. Am Ende war das ganze Schiff leer."


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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon iurisconsultus » Do 30. Jun 2022, 11:23

Stimmt ille, sie hat ihren Sinn :). Und weil es so schön ist, habe ich noch eine weitere analoge Stelle von Ovid (Fast 6, 67) ausgegraben:
finierat Iuno, respeximus: Herculis uxor
stabat, et in voltu signa vigoris erant.
'non ego, si toto mater me cedere caelo
iusserit, invita matre morabor' ait.


Auch hier bezieht sich toto zumindest auch auf Herkules' Gattin, behaupte ich.

:lol:
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon marcus03 » Do 30. Jun 2022, 12:32

iurisconsultus hat geschrieben:Auch hier bezieht sich toto zumindest auch auf Herkules' Gattin, behaupte ich

Deine Übersetzung?

Kann man als halbe Person verschwinden oder einen Teil zurücklassen? ;-)
“If my mother were to bid me retire from heaven outright,


Meine ÜS:
...dass sie den Himmel als ganzen/komplett verlassen solle = sich nirgendwo mehr im
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon iurisconsultus » Do 30. Jun 2022, 13:36

marcus03 hat geschrieben:dass sie den Himmel als ganzen/komplett verlassen solle

Wenn du, acutissime marce, mir implizit beipflichtend, untadelig dolmetschst, die Gattin solle den Himmel "komplett verlassen", dann, sage ich, beziehst du toto prädikativ (auch) auf die Gattin. :D
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon marcus03 » Do 30. Jun 2022, 13:49

iurisconsultus hat geschrieben: dann, sage ich, beziehst du toto prädikativ (auch) auf die Gattin. :D


Was soll eine unkomplette Gattin sein? Kopf im Himmel, Rumpf auf Erden?

den Himmel als ganzen/komplett

Ist nicht beides nur prädikativ auf caelo zu beziehen?
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Re: Ovid, Am III, 8

Beitragvon iurisconsultus » Do 30. Jun 2022, 16:00

Syntaktisch ja, aber intuitiv bezieht man toto in der Ü logisch auch auf die Gattin, wohl weil es keinen Sinn macht extra zu betonen, dass sie nicht allein vom Himmel verschwinden soll, nein vom „ganzen“ Himmel soll sie weichen („no na ned“ würden wir in OÖ dazu sagen).

Aber vielleicht kommt da zu sehr der Rechtsausleger in mir durch. Jedenfalls, denke ich, wurde die Frage nun ad nauseam verhandelt. :)
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