Ohne mir jetzt den Podcast angehört haben und die anderen Überlegungen zu berücksichtigen möchte ich nur meine eindimensionale, aber viel grundlegendere Sicht als „Assessor“ mit der Kombi ‚Klassische Philologie‘ geben, der aufgrund der exotischen Kombination keine Stelle bekommen hat:
In meiner Referendarzeit habe ich erlebt, wie selbst in einem humanistischen Gymnasium mit Hochbegabtenzug v.a. auch die sprachlichen Kenntnisse und Anforderungen stark abgenommen haben (im Vergleich zu meinen Schulerfahrungen knapp 10 Jahre davor – und ich war in keinem Hochbegabtengymnasium). Ich erinnere mich noch, wie Tiberis, mit dem ich rund 15 Jahre in Freundschaft verbunden bin, über so manche Sprachkenntnisse der Schüler gestaunt hat. Ich hatte bspw. einen Test mit einer Note 4 bewertet (mit viel Wohlwollen, weil die Bewertungsskala so wenig anspruchsvoll ist). Tiberis meinte auch, das wäre für ihn eine glatte 6 (womit er ja auch „eigentlich“ Recht hatte). Meine Mentorin hingegen meinte, der Test sei von mir wenig wertschätzend korrigiert.. aber was soll man machen, wenn eigentlich nichts richtig ist und vielleicht nur die Endungen hingekritzelt werden..
Das sollte kein Schülerbashing werden, ich wollte nur den Einwand zu denken geben: Wenn selbst so wenig Wert auf das Sprachverständnis gelegt wird (ein Fachdidaktiklehrer an der Uni meinte einmal, Latein sei nun hauptsächlich dazu da, deutsche Grammatik beizubringen), dann muss man sich auch nicht über den Rest wundern. Und wenn gleichzeitig seitens der Politik wenig wertschätzende Äußerungen über Sprache gemacht werden (nun aktuell dazu:
https://www.spiegel.de/panorama/bildung ... 26c76349c5) , dann wundert einen wenig.. Wenn Sprachverständnis in Grundzügen nicht vorhanden ist, dann sind die Schüler meist auch wegen anderer Vorzüge/Facetten des Fachs demotiviert.
Wenn man Schüler für die kulturellen Themen und alles andere, eben die Realienkunde, packen will, wird man wahrscheinlich schrittweise in Richtung dazu übergehen, L zu einem reinen Realien- und Interpretationsfach zu machen, wie es m.E. in den USA, zumindest an den Unis, praktiziert wird: Ein reines Arbeiten mit Übersetzungen. Dieser Schritt bahnt sich ja schon an: Dichtung wurde bei uns schon nicht mehr übersetzt, sondern bspw. die Äneis wurde nur noch anhand einer Übersetzung interpretiert.
Zugunsten der immer wichtiger werdenden Natur- und Wirtschaftswissenschaften kann man wahrscheinlich froh sein, wenn die Fächer überhaupt noch bestehen bleiben – in welcher Form auch immer.
PS: Warum ich die Sprache als Bedingung so stark machen will: Ich sehe die Tendenz ja auch in anderen Bereichen. In dem Studiengang, in dem ich jetzt bin (ein Mix aus Jura und Wirtschaft), wird hauptsächlich Wert auf das Mathematische gelegt.. Das begann schon mit dem Zulassungstest: Während vor einigen Jahren noch ein Diktat dazugehörte, ist es jetzt nur noch logischen Denken, räumliches Vorstellungsvermögen und mathematische Kenntnisse. Rechtschreibung war in Bezug auf das Allgemeinwissen irrelevant.