Die punischen Passagen gehören zu den schwierigsten, aber interessantesten Problemen des Poenulus, sowohl die Frage der sprachlichen Deutung der Texte und Vergleiche mit semitischen Parallelen, der Vergleich der beiden punischen Rezensionen und dem lateinischen Text als auch bes. die (letztlich nicht zu beantwortende) Echtheitsfrage wurden, nachdem Scaliger 1598 den Stein ins Rollen gebracht hatte, vielfach diskutiert.
Wer sich damit näher befassen möchte, sei v.a. auf die rezente Untersuchung von Stefan Faller, Punisches im Poenulus (in: Studien zu Plautus’ Poenulus, hrsg. v. Th. Baier, Tübingen 2004, 163-202) verwiesen, außerdem auf die ältere, aber materialreiche Monographie von M. Sznycer, Les passages puniques en transcription latine dans le Poenulus de Plaute, Paris 1967 und den Artikel von I. Opelt, Hermes 94 (1966), 435-442. Einige Punkte darf ich den Interessierten (so es diese species hier gibt) in aller Kürze vorstellen.
„Das Wissen um die Sprache der Karthager und ihrer Vorfahren, der Phönizier, ist mittlerweile erstaunlich groß â€“ erstaunlich deshalb, weil keine im eigentlichen Sinne literarischen Texte erhalten sind und auch keine direkten Nachfahren dieser Sprachen heute mehr in Gebrauch sind. Bei der Rekonstruktion war man also fast ausschließlich auf die immerhin zahlreich vorhandenen Inschriften wie auf Vergleiche mit anderen semitischen und hamitischen Sprachen angewiesen, allen voran dem Hebräischen.“ (Faller 170; unter den zahllosen Fehlinterpretationen sei auf eine Aufassung des plautinischen Punisch als Altirisch (!) oder als reines Hebräisch hingewiesen).
Im Laufe der Erforschung punischer ‚Sprachreliquien’ hat man auch die Verse im Poenulus immer wieder unterschiedlich beurteilt. Den klass. Philologen interessiert freilich, wie viel Plautus von der Sprache verstand, wie viel das Publikum und im Zusammenhang damit besonders die Frage nach der Existenz und dem Umfang von Interpolationen. Dass derart umfangreiche Passagen wie der Auftrittsmonolog Hannos für Zuseher, die nichts verstehen, überflüssig wären (oder ist mit Simultanübersetzern zu rechnen?), aber auch die Schwierigkeit eines korrekten Punisch (vgl. Herzog/Schmidt, Lateinische Literatur der Antike, Band 1, München 2002, 209 (§127) unten) führen dazu, dass man (zumindest) mit nachplautinischen Zusätzen zu rechnen hat (Eine andere Spekulation ohne rechte Anhaltspunkte ist die Annahme, Plautus habe einen des Punisch mächtigen Bekannten zu Rate gezogen). Es gibt Stimmen, die den ganzen Monolog dem Plautus absprechen wollen, aber auch Plädoyers für die unzweifelhafte Echtheit.
Hinzu kommt die eingangs erwähnt zweifache Fassung: Einerseits die von Consus genannten vv. 930ff., die sich nur in den palatinischen Hss. des 10./11. Jh.s finden, nicht im ambrosianischen Palimpsest, dem ältesten Plautuscodex, 4. Jh., andererseits 940ff., sowohl in den Palatini als auch im Ambrosianus erhalten, eine möglicherweise (? vgl. Opelt) aramäisierende Textstufe. Die lateinische Version (vv. 950ff.) steht mit unbedeutenden
variae lectiones in beiden.
Das Verhältnis der Passage 930ff. zu 940ff. ist umstritten.
Opelt 435: "Die im ambrosianischen Palimpsest [...] fehlende punische Fassung (930 bis 939) [...] ist sprachlich älter und besser. Die Version des Ambrosianus (940-949) ist eine jüngere."
Dagegen Faller 185: „Es sieht [...] ganz danach aus, als habe der Schöpfer der Verse 930-939 die Verse 940-949 gekannt und zu emendieren versucht. Was er nicht mehr nachvollziehen konnte, hat er auf der Basis der lateinischen Version der Verse 950-960 mit eigenen Worten ergänzt.“
Faller zum Lateinischen (189): „Plautus muß für Hanno einen Auftrittsmonolog verfasst haben. Nichts lag ihm näher, als diesen zunächst in seiner Muttersprache zu dichten. Meines Erachtens ist es durchaus wahrscheinlich, daß die überlieferte lateinische Fassung – zumindest größtenteils – die Urfassung des Plautus ist.“
Den an Versuchen zur Deutung des Sprachlichen Interessierten sei A.S. Gratwick, Hermes 99 (1971), 25-45 zur Lektüre empfohlen. Einige Versuche daraus:
syth 930 = sith 937 = hanc 950 = hanc 958
chon 934 = chon 936 = fuit 955 = fuit 956 = con 946
? 930 macom = urbem 950
? alemuedubert 944 = duberit 946 = alemusdubert 948 :: aiunt 956 = praedicant 957 = monstratust 959.
anec 947 = anec 949 = anech 995 (wo es notwendigerweise ‚ich’ bzw. ‚ich bin’ heißen muss)
ynnpcto 934 ~ innoch 936, vgl. ennuco (ynnycho) 1006 – „a hypothetical Punic interjection HNNY-KH, ‚look here’“?
Gratwick 37 hat übrigens auch gezeigt, dass die vv. 940ff. einer Orthographiestufe entsprechen, die im 3./2. Jh. v. üblich war und, 35-37, dass ein Umschriftsystem für das Punische benutzt wird, das Plauto vivo nicht mehr gebräuchlich war. Daraus und aus Zeichen für einen späteren sprachlichen Status des Punischen hielt er die Passage für „a scholar’s repair.“
Dazu Faller 182: „Wann diese Reparatur stattfand, kann nur vermutungsweise bestimmt werden – Sprachstand und Orthographie stimmen weitgehend mit recht späten latino-libyschen bzw. latino-punischen Inschriften aus Nordafrika überein, die aus dem 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. stammen.“
[Übrigens (
licet sit abs re) zeigen solche Inschriftenfunde, aber auch augustinische Texte, dass das Punische zumal bei unteren Schichten und im Binnenland bis ins 5. Jh. n. im Alltag verwendet wurde, vgl. dazu W. Huß, Die Karthager, München ³2004 und ders., Karthago, München ³2004]
Ich denke, die kurzen punischen Stücke (v. 995), für die man plautinische Urheberschaft kaum bestreiten wird, und die karthagischen Namen (Hanno ist übrigens einer der am häufigsten belegten, vor Hannibal und Hamilcar) zeugen davon, dass Plautus solche fremdsprachigen Elemente bewusst gesucht und eingesetzt hat. Im Zusammenhang damit sollte man ihm hier auch hinreichend Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von möglichen gr. Vorlagen [(u.a.) einem Karchedonios des Alexis?; Weder dürften die Griechen besonders gut Punisch gekonnt haben (Opelt 438) noch war überhaupt das fremdsprachige Material im gr. Drama von Bedeutung oder Qualität (Faller 180)] zugestehen.
Was den Auftrittsmonolog anlangt, wird man über Vermutungen nicht hinauskommen. Wenn jemand Interesse (bekommen?) hat, möge er sich mit der causa näher befassen oder weiter an ihr arbeiten (es gibt erst etwa 100 Aufsätze zum Thema
). Die Basis ist die momentane (fast-)
communis opinio (Faller): „Daß die früheste punische Version (sc. des Auftrittsmonologs Hannos) auf Veranlassung des Plautus selbst verfaßt wurde, ist zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, aber alles andere als zwingend. Im zeitlichen Umfeld des Plautus dürfte sie dagegen durchaus entstanden sein. Mit Sicherheit kann gesagt werden, daß die sprachlich hochwertige, für die punische Philologie äußerst aufschlußreiche Version der Verse 930-939 nicht von Plautus stammt, sondern vermutlich im 3. oder 4. nachchristlichen Jahrhundert verfaßt wurde.“