Man sollte vielleicht ganz am Anfang ein bisschen darüber nachdenken, was man sich von Naturwissenschaft oder Physik erwarten darf und was nicht.
Die griechischen Naturphilosophen haben ihrer Phantasie freien Lauf gelassen und durch Spekulation manch abstruse und manch überraschend treffende Idee gehabt. Im Mittelalter zogen viele es vor, naturwissenschaftliche Fragen überhaupt nicht durch eigenes Nachdenken sondern durch die Konsultation diverser (meist antiker) Autoritäten zu klären.
Mit Beginn der Neuzeit sind wir etwas nüchterner geworden. Wir begegnen heute in der Physik der Natur an zwei (drei) Fronten: experimentell, theoretisch und durch Computersimulation mit einem Ziel, nämlich quantitativen Modellen, die die Wirklichkeit möglichst genau beschreiben.
Quantitativ meint hier, dass man im Rahmen der Theorie den Ausgang (die erhaltenen Zahlenwerte) eines Experiments voraussagen können soll.
Unter der Wirklichkeit versteht man, fernab von philosophischen Überlegungen, diejenigen Dinge, die man mit geeigneten Geräten (oder auch den Sinnen) messen kann.
Wenn wir also vor einer Theorie der Physik stehen, sehen wir uns einem Modell gegenüber, das auf bestimmten, nicht weiter logisch ableitbaren Annahmen (Postulaten) beruht, von denen ausgehend mit Hilfe der Mathematik (und damit der Logik) Schlussfolgerungen über konkrete physikalische Systeme (beispielsweise ein Pendel, ein Atom, einen Atomkern, usw.) gezogen werden. Eine Theorie ist gut, wenn sie quantitativ ist (also erlaubt, Ausgänge von Experimenten vorauszusagen. Damit ist sie auch eindeutig widerlegbar, wenn das Experiment anders ausgeht.) und möglichst einfach ist.
Solch eine Theorie kann Gültigkeitsgrenzen haben. Nehmen wir als Beispiel die Newton'sche Mechanik. Im Größenbereich von Metern (und ein paar Zehnerpotenzen rund herum), weit weg von großen Massen und bei Geschwindigkeiten, die klein sind im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit, also in der Umgebung unseres Alltags, beschreibt die Theorie die Bewegung von Körpern ganz ausgezeichnet.
Außerhalb ihrer Gültigkeitsgrenzen stoßen die Newton'sche Mechanik und Gravitation aber auf ernste Widersprüche und stehen (gemeinsam mit der klassischen Elektrodynamik) nicht mehr im Einklang mit den Experimenten.
Also muss eine neue Theorie mit einem größeren Gültigkeitsbereich gefunden werden, die die alte, in ihren Grenzen bewährte, als Grenzfall enthält. Solche Theorien sind die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik.
Vor diesem Hintergrund möchte ich zu den hier aufgeworfenen Fragen ein paar Anmerkungen machen:
Ist der Welle-Teilchen-Dualismus nicht ein Beleg dafür, dass die uns zur Verfügung stehenden Erklärungsansätze nicht kohärent oder gar inkompatibel sind?
Der Welle-Teilchen-Dualismus ist ein vielbemühtes Bild, aber man muss sich etwas Wichtiges vor Augen halten:
Quantenobjekte, also Atome, Elektronen sind unvorstellbar klein, wobei unvorstellbar wörtlich zu nehmen ist. Als man also begann, sich mit dieser mikroskopischen Welt zu befassen, stellte man sich diese Objekte vor, als wären sie aus unserer makroskopischen Alltagswelt. Aber nichts berechtigt einen dazu von vornherein anzunehmen, etwas so kleines, das außerhalb der Gültigkeitsgrenzen der Newton'schen Mechanik existiert, verhalte sich wie ein kleines Kügelchen, das eben jener Mechanik folgt. Genauso kann man nicht einfach annehmen, es verhalte sich wie die uns bekannten Wasserwellen.
Zum großen Glück der Physiker kann man Experimente so designen, dass eine der beiden Wesensarten bei den Quantenobjekten zum Vorschein kommt und die andere nicht. So konnten die altbekannten Konzepte als Hilfe bei der Formulierung der neuen Theorie dienen.
So war man über diverse Stationen in der Lage, zu postulieren, dass Quantenobjekte wie Elektronen durch Wellenfunktionen beschrieben werden, dass die Zeitentwicklung der Wellenfunktion durch die Schrödingergleichung bestimmt ist, und schließlich, dass das Betragsquadrat der Wellenfunktion die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für das Quantenobjekt angibt.
Wenn man sich jetzt also den Doppelspaltversuch mit Elektronen ansieht, nimmt man die Wellenfunktionen, erhält ihre zeitliche Entwicklung durch die entsprechende Schrödingergleichung und sieht am Ende das bekannte Interferenzmuster als Aufenthaltswahrscheinlichkeiten.
Dass sich etwas unvorstellbar Kleines also nicht genau wie ein Newton'sches Kügelchen (oder eine Welle) verhält, beunruhigt heute keinen mehr. Man muss sich eben mit seiner begrenzten Vorstellungskraft abfinden.
Die Quantenmechanik ist in den letzten 80 Jahren auf alle nur erdenkliche Weisen in immer neuen Experimenten überprüft worden (dabei waren auch sehr subtile, wie die Fragen der Bell'schen Ungleichungen oder die Experimente von Alain Aspect) und ihre Vorhersagen haben immer standgehalten. Das macht sie zu einer guten und überaus erfolgreichen Theorie und es ist müßig (zumindest für den Physiker, nicht unbedingt für den Philosophen), darüber nachzudenken, ob die Natur jetzt
wirklich (was auch immer das heißen mag) so ist.
Zum Äther:
Die Ätherfrage ist ein gutes Beispiel zur Theoriebildung. Man kannte aus der Alltagswelt Wasserwellen und die brauchen ein Medium, um sich auszubreiten. Als man erkannt hatte, dass es auch elektromagnetische Wellen gibt, musste man sich natürlich die Frage stellen, in welchem Medium diese schwingen. Aber je weiter man diese Idee verfolgte, desto unüberwindlicher wurden die Schwierigkeiten damit. Experimente wie das von Michelson und Morley und das von Fizeau brachten die Äthertheorie in Erklärungsnot.
Die Relativitätstheorie konnte schließlich alle experimentellen Ergebnisse mit wenigen Annahmen richtig beschreiben und darüberhinaus hielt sie großen Bemühungen, sie zu widerlegen, stand.
Wer also den Äther wieder einführen will, kann das nur, wenn er eine quantitative Theorie vorlegt, die genauere, umfassendere Vorhersagen als die Relativitätstheorie liefert (und noch dazu ev. mit weniger Annahmen auskommt). Das haben sehr viele Physiker versucht und sind gescheitert, ob das so bleibt, wird die Zukunft zeigen. Allerdings hat zumindest die Vergangenheit gezeigt, dass eine Theorie durch neue Ideen abgelöst werden kann, nicht durch alte.
Wenn Physiker anfangen zu phantasieren ist der Philosoph gefragt.
Da ist nach naturwissenschaftlicher Auffassung das Experiment gefragt und nicht noch einer mehr, der nur "phantasiert".
In meinen Augen sollte man einfach mal zugeben: “das verstehen wir nichtâ€. Stattdessen wuchern vage Theorien ohne Beweisgrundlage.
Das tut man und zwar recht häufig. Es gibt einige große Problemstellen, die man mit den bestehenden Theorien nicht erklären kann. Was dann wuchert, sind allerdings keine vagen Theorien, sondern Hypothesen, die versuchen neue Ideen zu liefern, die in Zukunft im Experiment erhärtet oder widerlegt werden können. Solche Hypothesen aufzustellen, ist aber nicht gerade einfach, da muss man erstens einiges ausprobieren und zweitens braucht es auch den berühmten Geistesblitz, den man nicht erzwingen kann...