salvete,
oh, das schlägt ja munter Wellen hier
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Meine Ansicht:
1. Es gibt kein richtig und falsch, diesen radikalen Dualismus in der Grammatik anzubringen kann nur scheitern. Es gibt so und anders, gewöhnlich und selten. Alles hängt vom Kontext, vom Sprachniveau, vom Autor etc. ab. Eine bestimmte Konjunktion etwa mit Konjunktiv zu konstruieren, wäre nach klassischer Sprachnorm offenbar "falsch", in der Tat aber nur ungewöhnlich und nicht mehr statthaft, wohingegen in archaischer Zeit der Indik. sogar die Regel war. Im D steht für gewöhnlich das Prädikat in Hauptsätzen nicht am Schluss, in der Dichtung aber doch, noch freier (aber nicht beliebig!) in lateinischen Versen. Es ist daher fast unmöglich, zu einem gegebenen deutschen Satz einen lateinischen zu formulieren, der nicht richtig ist, sofern man freilich morphologisch und grob-syntaktisch keine Schnitzer macht. Man kann immer alles auch anders begründen oder sehen, weswegen man einen Satz aufgrund seiner "Künstlichkeit" in der Regelauslegung oder seines fehlenden Sinnes verwerfen kann, er ist dadurch aber nicht falsch. Sprache ist rein formell viel flexibler als die Stilübungen das verheißen...
2.
Ad A) Magister puerum vituperavit, quod eum fefellerat. Der Lehrer tadelte den Knaben, weil er ihn getäuscht hatte. (Tatsache: objektiv - nicht innerlich abhängig - Indikativ)
Ad B) Magister puerum vituperavit, quod se fefelliset. Der Lehrer tadelte den Knaben, weil er ihn getäuscht hätte. (Ansicht des Lehrers: subjektiv - innerlich abhängig - Konjunktiv)
Tiberis hat genau den Punkt angesprochen: Der Modus dient hier primär nicht dazu , etwas als Tatsache darzustellen, er hat keine Beziehung zur Faktizität einer Aussage. In beiden Fällen kann das Kind tatsächlich getäuscht haben, muss es aber nicht. Der Satz ist erstmal nur reine Information, ob sie stimmt, kann man nicht klären. Was man unterscheiden und in der Folge verbalsyntaktisch auch anders ausdrücken kann, ist die Art, wie die Information gegeben wird bzw. aus welcher Perspektive sie erscheint. In B ist soll die Aussage die des Subjekts des HS sein, dessen persönliche Meinung darstellen, daher der coni. oblq. Ob das Tadeln zu Recht erfolgt, sei dahingestellt. Ebenso fragwürdig ist die Rüge in A, nur dass hier eine dritte Instanz, etwa der Autor (i.d.R. nicht das Satzsubj.) oder eine vorher genannte andere Person oder auch nur eine neutrale, nicht greifbare höhere Sichtweise als solche als Meinungsträger dient, jedenfalls ist es nicht (nur) die Ansicht des Lehrers, daher ein "sachlicher" (modal im Grunde indifferenter) Indikativ.
Nun zum Beispiel:
Trajan lobte die Feldherren dafür, dass sie alle Hoffnung auf die Tapferkeit gesetzt hätten und sich wider Erwarten der Beute bemächtigt hatten.
Schon der deutsche Satz ist nicht falsch, aber absolut inkonsequent und konstruiert. Solch eine Moduskombination würde man in keinem deutschen Text erwarten, jedoch: Würde die ind. Rede weitergeführt und immer wieder Indik. eingestreut, wäre das stilistisch beabsichtigt und kreativer Umgang mit Sprache; ein Problem bliebe aber: Auch, wenn die erste Aussage die des Subjekts sein soll (Konj.) und die andere eine Tatsache, dann müsste auch bei der zweiten dennoch der Konj. stehen, weil allein die Faktizität den Indik. nicht rechtfertigt, sondern nur die Absicht des Autors, den zweiten Teil nicht aus der subjektiven Sicht Trajans darzustellen, sondern als seine eigene oder die einer genannten dritten Person anzugeben. Nur dann wäre der Indik. angebracht, dann würde aus meiner Sicht die Koordination mit et formal nicht stören, auch wenn es wirklich etwas inkonzinn (also stilisiert und also bewusst kreiert) wirkte. Sollte der zweite Teilsatz also wirklich die ("objektive") Ansicht des Verfassers widereben, dann störte das praeter opinionem auch nicht zwingend, es ist nicht gesagt, gegen welche Erwartung, ob die des Subjekts, Autors, der Feldherren gar, eines Dritten, die der Allgemeinheit...es geschah.
Schließlich kann man sagen, dass die Kombination aus Konj. und Indik. durchaus statthaft wäre, da sie sich an alle Regeln der dt. und lat. Sprache halten würde (oder es zumindest keine gäbe, die das explizit verböte), und nur darauf kommt es an, wenn es um "falsch" geht. Vielleicht hat es so noch kein lat. Autor je geschrieben und eine solche Zusammenstellung wäre den Puristen "unlateinisch", aber im Prinzip spricht wenig dagegen. Natürlich ist aber schon der deutsche Satz meiner Meinung nach aus nicht nachvollziehbaren Gründen eine Art modales Zeugma; Warum muss man denn so etwas schreiben? Wenn es kein Fehler, sondern Absicht ist, verstehe ich diese nicht.
Dazu noch etwas: Man kann nur dann lateinisch einwandfreie Sätze basteln, wenn auch die deutsche Vorlage allen Regeln (und auch allen Erwartungen an "regulären Sprachgebrauch) genügt. Sollte der Indik. im D tatsächlich ernst gemeint sein, dann kann man ihn ohne Weiteres auch im L übernehmen. Denn ein lat. Satz ist genau dann "richtig", wenn er allen gramm. Regeln Folge leistet UND das dt. Komplement eine mögliche und gültige Übersetzung desselben darstellt. Hat man also im D ein Prädikat im Präteritum, könnte man im L je nach Kontext ein (z.B. iteratives) Imperfekt daraus machen (ev. mit Zusätzen im D wie: immer wieder...) oder ein narratives Perfekt, sofern es der Satz zulässt. Beides nämlich lässt sich bei der Rückübersetzung nämlich mit Präteritum wiedergeben. Beide Varianten wären also grunsätzlich möglich. Aus einem Perfekt im D kann man im L aber kein Imperfekt machen, zumal es meines Wissens ein Perfekt mit durativem Aspekt im D nicht gibt.
Wenn also in der Vorlage ein Indik verwendet wird, dann kann er auch im D nur mit der Begründung bestehen, den Satz nicht aus der Sicht Trajans darzustellen, sondern etwa aus der des Autors. Die gleiche Regel gibt es doch auch im L, also kann man doch ganz analog vorgehen.
Ich mag aber nicht begreifen, warum man so einen ausgesuchten, konstruierten Spezialfall, den man ja durchaus als einen Extrapunkt und mit der Vorwarnung, alle Möglichkeiten ausschöpfen zu dürfen und sozusagen zu experimentieren, geben kann, im D nehmen muss. Denn niemand wird bestreiten, dass das für jeden Muttersprachler ziemlich seltsam und künsltich klingt?
Das ist wie immer nur meine Meinung als ausgewiesener Nicht-Fachmann!
Wenn sich einer wirklich mit der Materie auskennt, stelle er den Sachverhalt vollständig und korrekt da, das würde mich nämlich schon interessieren, wie die Experten diesen Satz einschätzen und ob wir uns da nicht was einbilden...
LG
Sokrates