Salute, Laptop und Interessenten!
Ich hatte schonmal vorgeschlagen, daß es den Ablativus Absolutus auch im Deutschen gibt. Man spricht zwar so nicht, aber "Den Regenschirm aufgeklappt, machte ich mich auf den Weg," ist verständlich, und man liest es literarisch schon manchmal. Und genauso literarisch ist er ja auch im Lateinischen. Hätte man es mir so erklärt hätte ich es damals auch kapiert.
Laptop
(1) Deutsche PartizipialkonstruktionenJa, das Deutsche kennt solche Versuche, absolute Konstruktionen des Lateinischen ins Auge zu fassen:
- absoluter Genitiv ("stehenden Fußes"),
- absoluter Akkusativ ("den Regenschirm aufgeklappt, machte ich mich auf den Weg in die Bücherei"),
- kasusoffene Fügungen ("dies geschehen, wandte er sich seinen Aufgaben zu") ("Meister Abrakus machte sich auf den Weg, den Mund noch immer verzogen/der Mund noch immer verzogen, um nicht zu sagen verzerrt"),
- präpositionale Fügungen ("wegen erlittenem Unrecht").
Dem entspricht bei Kühner-Stegmann (771) ein auch von Zythophilus gern erwähnter Aspekt:
Der Ablativus Absolutus ist (...) eigentlich nur ein mit einer attributiven Bestimmung versehener Ablativ der Zeit, des Grundes, des MIttels oder der Art und Weise, also eigentlich kein Satz, sondern nur ein Satzteil (...).
Der lässt sich entsprechend der gewohnten Standardübersetzung (Präpositionen...) für den Ablativ angehen....
(2) Hilfskonstruktionen, Hilfsübersetzungen mittels PräpositionZweifellos sind - auch wenn Puristen den Kopf schütteln und Bannflüche ausstoßen - im Unterricht "Hilfskonstruktionen" zu vermitteln, die der Schüler als Einstieg nutzt, um und dann in besseres Deutsch umzuformulieren. Hier seien solche Formulierungen - verschroben, aber nützlich für die anstehende Erstübersetzung lateinischer Abl. abse:
(S1)
*Nach gefangener Maus schnurrte die Katze.
Nach dem Fangen der Maus schnurrte die Katze.
(S2)
Nach dem verlorenem Spiel - 8:1 - weinten die Brasilianer.
Nach dem Verlieren des Spiels - 8:1 - weinten die Brasilianer.
(S3)
*a) Nach verlorenem Ball mussten die Kinder aufhören zu spielen.
b) Nach dem Verlust des Balls mussten die Kinder aufhören zu spielen.
(S4)
a) Wegen dem verlorenen Ball mussten die Kinder aufhören zu spielen.
b) Wegen Verlust des Balles mussten die Kinder aufhören zu spielen.
Das ist - so scheint mir - vielversprechender als die Erklärung, was ein "absoluter Ablativ" ist. Nebenbei: Eigentlich ist - wörtlich genommen - nahezu jedes Ablativadverbiale "absolut", steht also locker als "Hospitant" in seinem Umfeldsatz....
(3) Highbrow
Immerhin, der Gelehrte sollte kein Vortragsverbot erhalten und sich aber hüten, das didaktisch beim Schüler anbringen zu wollen. Ich erinnere mich mit einigem Grausen an das Wittelsbacher Gymnasium und den Lateinlehrer Wellkammer, der unser ohnehin spärliches Selbstbewusstsein erschütterte:
Absolute Strukturen entstehen vor allem da, wo ein Nomen kombiniert mit einem Partizip (oder einem Nomen) den kasuellen Anschluss an den Umfeldsatz/Matrixsatz aufgibt und also nicht mehr direkt als Kasus, sondern indirekt als "Subjekt" seine Partiziphandlung in den Matrixsatz als eine Nebenhandlung einführt und so mit ihm "verbunden" ist.
Daher lässt er sich denn als Adverbiale Begleitsituation fassen und dementsprechend auch mit einem Adverbialsatz (als, weil, obwohl...) oder einer präpositionalen Fügung (nach, wegen, trotz) wiedergeben.Übrigens ist es spannend zu überlegen, warum in (2) und (4) offensichtlich eine Übersetzung "Präp+Part+Nomen" möglich ist. Und warum - siehe 3b - viele Didaktiker recht gerne diese Art der Übersetzung empfehlen ("dominantes Partizip").
(4) FlorilegiumHier ein bisschen Blütenlese - Hebbel, Grillparzer, Schiller, Grass:
Hinaus aus der Stadt! Und da dehnt sie sich,
Die Heide, nebelnd, gespenstiglich,
Die Winde darüber sausend,
"Ach, wär hier ein Schritt, wie tausend!"
Und alles so still, und alles so stumm,
Man sieht sich umsonst nach Lebendigem um,
Nur hungrige Vögel schießen
Aus Wolken, um Würmer zu spießen.
Hebbel
Schon waren die Hauptschwierigkeiten der Wanderung überwunden und ich befand mich bereits am Ende des Augartens, die ersehnte Brigittenau hart vor mir liegend. Hier ist nun noch ein, wenngleich der letzte Kampf zu bestehen. Ein schmaler Damm, zwischen undurchdringlichen Befriedungen hindurchlaufend, bildet die einzige Verbindung der beiden Lustorte, deren gemeinschaftliche Grenze ein in der Mitte befindliches hölzernes Gittertor bezeichnet. An gewöhnlichen Tagen und für gewöhnliche Spaziergänger bietet dieser Verbindungsweg überflüssigen Raum; am Kirchweihfeste aber würde seine Breite, auch vierfach genommen, noch immer zu schmal sein für die endlose Menge, die, heftig nachdrängend und von Rückkehrenden im entgegengesetzten Sinne durchkreuzt, nur durch die allseitige Gutmütigkeit der Lustwandelnden sich am Ende doch leidlich zurechtfindet.
Grillparzer
Die Menge bewegte sich von der Haupttür gegen den Hochaltar, wandte sich dann links, wo sie einer, im Glassarge liegenden Reliquie große Verehrung bezeigte. Man betastete den Kasten, bestrich ihn, segnete sich und verweilte, solange man konnte; aber einer verdrängte den andern, und so ward auch ich im Strome vorbei- und zur Seitenpforte hinaus geschoben.
Ältere Männer von Bingen treten zu uns, den Herzoglich-Nassauischen Beamten, unsern werten Geleitsmann, freundlich zu begrüßen, sie rühmen ihn als einen guten und hülfreichen Nachbar, ja als den Mann, der ihnen möglich gemacht, das heutige Fest mit Anstand zu feiern. Nun erfahren wir, dass, nach aufgehobenem Kloster Eibingen, die inneren Kirchenerfordernisse, Altäre, Kanzel, Orgel, Bet- und Beichtstühle, an die Gemeine zu Bingen zu völliger Einrichtung der Rochuskapelle um ein billiges überlassen worden.
(Schiller)
Meine Großmutter hatte keinen Koljaiczek gesehen, weil sie keinen Koljaiczek kannte. Ob der von der Ziegelei sei, wollte sie wissen, denn sie kenne nur die von der Ziegelei. Die Uniformen aber beschrieben ihr den Koljaiczek als einen, der nichts mit Ziegeln zu tun habe, der vielmehr ein Kleiner, Breiter sei. Meine Großmutter erinnerte sich, hatte solch einen laufen sehen, zeigte, ein Ziel ansprechend, mit dampfender Kartoffel auf spitzem Ast in Richtung Bissau, das der Kartoffel nach zwischen der sechsten und siebenten Telegrafenstange, wenn man vom Ziegeleischornstein nach rechts zählte, liegen mußte. Ob aber jener Läufer ein Koljaiczek gewesen, wußte meine Großmutter nicht, entschuldigte ihre Unwissenheit mit dem Feuer vor ihren Stiefelsohlen; das gäbe ihr genug zu tun, das brenne nur mäßig, deshalb könne sie sich auch nicht um andere Leute kümmern, die hier vorbeiliefen oder im Qualm stünden, überhaupt kümmere sie sich nie um Leute, die sie nicht kenne, sie wisse nur, welche es in Bissau, Ramkau, Viereck und in der Ziegelei gäbe – die reichten ihr gerade.
Grass
(Mausekatze pendelnd zwischen zwei Gelehrten, welche - getrennte Zeitdimensionen verknüpft - über den Ablativus absolutus meditieren)
p.s.
Reginaldus im Jenseits oder wo auch immer sei gegrüßt und bedankt, dass er mit seinen "ossa" zu Meditationen anregte....
ein Scherz, den Foster gern erzählte:
Ein älterer Professor der klassischen Sprachen fliegt nach Rom, um an einer Altphilologenkonferenz teilzunehmen. Er hält ein Taxi an, als er den Flughafen verlässt, und der Fahrer zeigt auf ein Schild mit der Aufschrift "Tell driver your destination". Der Professor zögert einen Moment lang. Er spricht kein Italienisch, will aber nicht, dass der Fahrer seine Anweisungen auf Englisch missversteht. Plötzlich wird ihm - natürlich - wieder bewusst, dass das Italienische vom Lateinischen abstammt, und er sagt:
"Adducere, äh, adduc me ad Marriott deversorium".
Der Taxifahrer nickt und legt den Gang ein. Als er sich in den fließenden Verkehr eingeordnet hat, sagt er: "Wow, Sie waren sicher lange nicht mehr in Rom."