Imperfekt oder Perfekt?

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

Moderatoren: Zythophilus, marcus03, Tiberis, ille ego qui, consus, e-latein: Team

Imperfekt oder Perfekt?

Beitragvon medicus » Mi 21. Jun 2023, 20:32

Es gibt ja das imperfectum iterativum. Schreibe ich nun in einem Satz, in dem saepe oder semper vorkommt, immer das Imperfekt?
Der Lehrer lobte die Schüler häufig/immer:
Magister discupulos semper/saepe laudabat oder laudavit?
medicus
Augustus
 
Beiträge: 6623
Registriert: Do 9. Dez 2010, 11:39

Re: Imperfekt oder Perfekt?

Beitragvon Sapientius » Do 22. Jun 2023, 10:02

Medice, du stellst die Frage so, dass man sie nicht beantworten kann; ein Text ist ein Zusammenhang, das Wort selbst sagt es ja schon, "Gewebe", und man spricht auch vom "Kontext"; die Bestandteile eines Textes stehen in einer Interdependenz von/zu einander.

Wenn es um den Nachruf auf den Lehrer geht, dann setze das Perfekt; und wenn es um den Besuch einer Unterrichtsstunde geht, dann das Imperfekt!
Sapientius
Censor
 
Beiträge: 985
Registriert: Mi 8. Jan 2020, 09:00

Re: Imperfekt oder Perfekt?

Beitragvon Tiberis » Do 22. Jun 2023, 11:58

Ov.Trist.4,3,26:
et quod temptabam scribere, versus erat. (iteratives Imperf.)

aber:

ibid. 21:
saepe pater dixit: studium quid inutile temptas? (saepe + perf.)

also: saepe+ imperf.iter. wäre eigentlich schon ein Pleonasmus, kommt aber vermutlich auch vor.
besser wohl mit perf. (s.o.)
ego sum medio quem flumine cernis,
stringentem ripas et pinguia culta secantem,
caeruleus Thybris, caelo gratissimus amnis
Benutzeravatar
Tiberis
Pater patriae
 
Beiträge: 11947
Registriert: Mi 25. Dez 2002, 20:03
Wohnort: Styria

Re: Imperfekt oder Perfekt?

Beitragvon Sapientius » Mo 24. Jul 2023, 10:02

Schreibe ich nun ... immer das Imperfekt?


Medice, du kannst das Gesprochene nicht ohne den Sprechenden nehmen; es kommt darauf an, wie dieser zu der Handlung steht; wenn er sich in die Handlung hineinversetzt, dann nimmt er das Imperfekt; sozusagen von innen gesehen; wenn er aber die Handlung von außen sieht, als fernstehender Beobachter, dann das Perfekt.

"Ibam forte via sacra ...", der Autor versetzt sich in die Handlung hinein;
"Exegi monumentum aere perennius", im Rückblick auf das Geschaffene.

Bei "quod dicere temptabam, versus erat", aus der Innenperspektive gesehen.

Eine andere Funktion des Imperfekts: Begleitumstände in Nebensätzen.
Sapientius
Censor
 
Beiträge: 985
Registriert: Mi 8. Jan 2020, 09:00


Zurück zu Übersetzungsforum



Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 8 Gäste