Ok: Here it is
!
Ich habe jetzt noch kein allzu umfassendes Gedankengebäude anzubieten, sondern schriebe enfach mal drauf los und versuche die wesentlichen Punkte, die mir so durch den Kopf gegeangen sind, aufzugreifen. Ich werde dabei jedoch erst einmal ein wenig von dem speziellem Thema Freundschaft abweichen und mich dem Rahmenprogramm zuwenden müssen.
Ich glaube mein grundlegendes Problem bei Seneca ist, bei aller Liebe, die ich ihm entgegenbringe, einer seiner absolut grundlegenden Programmpunkte, nämlich der Weise als in seiner Entwicklung am Ende Angelangter. Seneca ist nunmal Stoiker, wenn auch ein ungewöhnlicher, und als solcher, kann er den Weisen als nicht weniger als vollkommen beschreiben. Aus diesem Grund wiederstrebt mir immer dann etwas, wenn er nicht mehr den einzuschlagenden Weg, sondern das Ziel, den Zustand des Weisens, beschreibt.
Dies hat mehrere Gründe: Der Mensch ist, was er erfahren hat und ist das, was er aus dieser Erfahrung gemacht hat. Er ist, um es etwas geschwollen auszudrücken, in jedem Moment die Summe seines bisherigen Seins zuzüglich dessen, was er JETZT, gerade JETZT im Moment tut, denkt, fühlt. So lange aber der Mensch lebt endet der Fluss seiner Erfahrungen nicht und auch, wenn wir es nicht mehr bemerkern, da wir die Welt in uns verständliche Strukturen eingeteilt haben, uns ihre unendliche Komplexität notwenidgerweise auf ein uns verständliches Maß reduziert haben, lernen wir doch in jedem Moment Neues. Kein Moment den wir erleben, kein Tag, keine Stunde, keine Sekunde bringt uns nichts Neues. Aber mit jeder Erfahrung, mit jedem noch so kleinem Stückchen Zeit, das wir erleben, das wir durchleben, verändern und wandeln wir uns.
Wenn ich ein Jahr zurücksehe, erkenne ich, dass ich nicht mehr der selbe Mensch bin, der ich einmal gewesen bin. Das Gleiche gilt für die letzte verstrichene Sekunde, nur, dass die Veränderung unterhalb meiner Wahrnehmungsschwelle liegt. Der Mensch ist also niemals am Ende seines Sich-Wandelns angelangt. Der Weise, so wie ich ihn sehe, begreift sich nicht als fertiges, in sich vollkommenes Wesen, er ist nicht, wie es in der Stoa gewollt wird von der Welt entfernt, sondern weiß, dass er durch sein Erleben derselbigen, Teil von ihr ist. Er unterscheidet sich dadurch, dass er immer versucht seinen Weg, seine Entwicklng in dieser Welt bewusst zum Guten zu führen. Er reflektiert über das wie er geworden ist, was er ist, versucht so gut wie es ihm möglich ist das Gute vom Schlechten, Richtig von Falsch zu trennen. Er ist in seiner Entwicklung dem Erleben nicht mehr schutzlos ausgeliefert, sondern sucht es bewust mit sich in Einklang zu bringen. Das Neue mit dem Alten zu verbinden.
Hierbei zu erknnen, dass die weltlichen Güter, dass Geld, dass Macht, dass Streben nach rein vergänglichen Schicksalsgütern, das Heil nicht ist, dies ist ein Punkt den ich nicht für weniger wichtig erachte als Seneca.
Der Unterschied liegt in dem Bild des "fertigen" Menschens begründet. "Mein" Weiser sieht und bejaht den Wandel. Hier berühre ich auch wieder Seneca. Der Weise wird in jeder Situation, in jedem Empfinden versuchen seinen Weg zu gehen. Wenn ihm genommen wird, was er hat, auch und gerade dann, wenn dieser Verlust schmerzt, er weiß, dass auch dies eine Erfahrung ist die ihn formt und wandelt und versucht sich, seinen Charakter, auch jetzt zu etwas höherem zu machen, als es zuvor war. Er lernt. Wenn ihm das Vermögen, die Freunde, die Famlilie genommen wird, schmerzt es ihn, verletzt es ihn aber er verurteilt deswegen nicht das Leben als solches und begint seine Tage damit zu verbringen mit dem Schicksal zu hadern.
Das ist so grob der erste Punkt
Der zweite ergibt sich aus dem ersten. Ich kann in jedem Moment versuchen das Beste zu tun aber die Maßstäbe die ich anlege, die Gedanken, die Gefühle, mit denen ich bewerte was richtig und was falsch, was gut und was böse ist, beruhen auf meinem bisherigen Erleben und dem, was ich daraus gemacht habe - und zwar notwendigerweise NUR auf MEINEM Erleben und meinen Erfahrungen. Auch wenn ich beispielweise Seneca lese, ist es mein Erleben eines Senecatextes, die mich formt, nicht Senecas Erleben. In dieser hinsicht ist der Mensch immer alleine(Verweis an: "Hermann Hesse: Im Nebel" und "Pink Floyd: Hey You"
). Jeder Gedanke aber, den ich in die zukunft schicke, jede Idee an der ich versuche mich zu bilden, kann ich nur mit dem bisher Erfahrenem in Einklang bringen. Alles was ich JETZT tue, denke, fühle resultiert aus dem bisher gewesenen. Ob das, was ich jetzttue und was ich mir für die Zukunft vornehme "richtig" ist, das kann mir erst das zukünftige Erleben und die spätere Reflektion über die verbrachte Zeit zwischen Idee, dem Versuch die Idee zu Leben und dem Moment der Reflektion zeigen. Man sieht zurück, fragt sich "War das gut so?" entdeckt seine Fehler und Schwächen und nimmt sich vor "Jetzt will ich es auf diese Art und Weise besser machen."
Da wir aber beständig dazulernen, Neues erkennen und vor allem gar nicht wissen können, was die Welt an uns herantragen wird, gibt es keine Idee, die nicht beständig verändert werden müsste.
Bevor ich die Brücke zu Freundschaft schlage, möchte ich noch kurz anmerken, dass der hier beschriebene Reflektionsgang so aufgefasst werden könnte, als wäre er etwas, dass sich halbjährlich ereignet. Ich bin der Meinung, dass wir es beständig tun. In jedem Moment. Natürlich gibt es Momente, in denen wir über Monate, Jahre opder unser ganzes Leben nachdenken und auch sie sind hier gemeint aber meiner Meinung nach findet der beschriebene Vorgang immer statt. In jedem Moment stellen wir uns auf irgendeine Art und Weise der Welt entgegen, konstruieren und bewerten das Bild, das wir von ihr und von uns in ihr haben. Wir sind beständig im Fluß. Weise zu sein zielt auf Die Art und Weise wie wir in ihm schwimmen, nicht darauf, an welchem Punkt wir uns befinden. Es gibt kein Ziel auf das wir uns zubewegen - Der Weg und die Art ihn zu gehen, das ist das Ziel.
Puhhhh
Ok, zur Freundschaft:
Ich denke wirklich, dass das Problem Senecas ist, dass er den Weisen als vollständig und abgeschlossen betrachtet. So hat er auf der einen Seite die, meiner Meinung nach vollkomen richtige, Intuition, dass auch der Weise Freunde braucht und das ihr Verlust ihn schmerzt - auf der anderen
aber die Notwendigkeit den Weisen als unbeweglich darstellen zu müssen. Ersetzt man die Standhaftigkeit, die Unerschütterlichkeit und die Unbeweglichkeit des Weisens durch die Stärke mit der er sein In-der-Welt-Sein meistert, die Festigkeit nicht des Wesens, sondern des Schrittes mit dem er sich in dieser Welt bewegt, ergibt sich dieses Problem nicht.
Und wahrhaftig
: Wann immer Seneca den Weg, nicht das Ziel beschriebt finde ich ihn einfach göttlich.
In diesem Sinne
Ana
Zuletzt geändert von Anachronist am Sa 20. Dez 2003, 19:34, insgesamt 1-mal geändert.