Ahnenforschung lateinischer Sterbeeintrag

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Ahnenforschung lateinischer Sterbeeintrag

Beitragvon Felber » Fr 26. Dez 2014, 22:58

Hallo zusammen

Ich betreibe Ahnenforschung und bin dabei auf einen lateinischen Eintrag aus einem Kirchenbuch von Romoos (Kanton Luzern, Schweiz) gestossen, den ich mit meinen geringen Lateinkenntnissen nicht übersetzen kann. Ich habe den Text transkribiert (nur bei zwei Wörtern bin ich mir nicht ganz sicher):
Juv: Petrus filius Joannis Hänsli et Barbara Aregger, Schuberg, 19 Annor:, 31 Jan [1807]
Cum dolores ob delicta (luxuria ?) in pueritia commissa in membro
virili et postea quasi insanabiles rationem ejus impedientes in astum
mererissent nocte (esclliens ?) domo laqueo sebi vitam misserime
eripuit et visitatus per praescriptas sine caeremoniis Christianis
in Caemeterio ad vesperas sepultus fuit in Rei Memoriam

Meine versuchte Übersetzung sieht so aus: Die unterstrichenen Wörter kann ich nicht übersetzen bzw. kann ich nicht in einen sinnvollen Satz einordnen, beim Rest bin ich mir halbwegs sicher. Bisher entnehme ich dem Eintrag nur, dass dieser Peter Hänsli ein Vergehen in der Kindheit beging (am männlichen Glied ?), sich mit einer Talg-Schlinge das Leben nahm und anschliessend ohne christliche Feierlichkeit auf dem Friedhof beerdigt wurde. Kann jemand mehr aus dem Text entnehmen? Im Anhang noch der Eintrag, falls dieser weiterhilft. Ich bin um jede Ergänzung/Korrektur froh!
Jüngling Peter, Sohn des Johann Hänsli und der Barbara Aregger, auf dem Schuberg, 19 Jahre alt, gestorben am 31.01.1807
Mit Schmerzen wegen einem Vergehen [?] in der Kindheit begangen am männlichen
Glied und nachher als unheilbar befunden [ejus impedientes in astum ?]
[mererissent nocte (esclliens ?) ?] zu Hause mit einer Talg-Schlinge das Leben genommen
[eripuit et visitatus per praescriptas ?] ohne christliche Feierlichkeit
auf dem Friedhof am Abend begraben worden in schuldigem Andenken.


Vielen Dank im Voraus!

Freundliche Grüsse

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Hänsli, Peter (1789-1807) - Tod (31.01.1807 in Romoos).jpg
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Re: Ahnenforschung lateinischer Sterbeeintrag

Beitragvon Zythophilus » Sa 27. Dez 2014, 10:21

SALVE
Offensichtlich liegt Selbstmord vor. Die Schlinge (laqueus) hat aber wohl nichts mit Talg zu tun, denn wozu sollte Tierfett dabei verwendet werden? Auch wenn es wie sebi aussieht, dürfte sibi (sich, für sich) dort stehen. Da kein Ablativ folgt, kann cum nicht "mit" heißen, sondern "als", "weil" o.ä. Die folgenden Worte sind teilweise klar: dolores ... postea quasi insanabiles rationem ejus impedientes "Schmerzen ..., die später gewissermaßen unheilbar seine Vernunft beeinträchtigten"
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Re: Ahnenforschung lateinischer Sterbeeintrag

Beitragvon Felber » Sa 27. Dez 2014, 12:30

Guten Tag Zythophilus

Vielen Dank für die Ergänzungen! Damit ist der Eintrag schon deutlich besser zu verstehen.

Freundliche Grüsse

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Re: Ahnenforschung lateinischer Sterbeeintrag

Beitragvon romane » Sa 27. Dez 2014, 12:33

Mein Vorschlag:

Nachdem/weil die Schmerzen wegen einer in der Jugendzeit begangenen Vergnügungssucht am/im männlichen Glied und später gleichsam unheilbar seinen Verstand behindernd in ein Trugbild gebracht hatten, sprang er in der Nacht auf und entriss sich zu Hause sehr erbärmlich mit einem Strick das Leben und ist nach den Vorschriften begutachtet ohne christliche Zeremonie auf dem Friedhof am Abend begraben worden zur Erinnerung an diesen Vorfall.
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Re: Ahnenforschung lateinischer Sterbeeintrag

Beitragvon Tiberis » Sa 27. Dez 2014, 13:35

romane hat geschrieben:in ein Trugbild gebracht hatten

?
ich lese hier: in aestum increvissent

der ganze text lautet vermutlich so:

Cum dolores ob delicta luxuriae in pueritia commissa in membro virili et postea quasi insanabiles rationem eius impedientes in aestum increvissent, nocte exiliens domo laqueo sibi vitam miserrime eripuit et visitatus per praescriptas (?) sine ceremoniis Christianis in coemeterioad vesperas sepultus fuit.

die übersetzung würde somit lauten:
nachdem die schmerzen aufgrund der in der frühen jugend begangenen ausschweifungen , an seinem glied ,und dann später, gleichsam unheilbar seine vernunft beeinträchtigend, zu hohem fieber führten, sprang er nachts aus dem haus und nahm sich auf elende weise mit einem strick das leben. nachdem er vorschriftsmäßig untersucht wurde, wurde er ohne christliche zeremonien gegen abend auf dem friedhof beigesetzt.
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Re: Ahnenforschung lateinischer Sterbeeintrag

Beitragvon Zythophilus » Sa 27. Dez 2014, 14:03

Bei per praescriptas könnte irrtümlich der Akk.f.pl. statt praescripta verwendet worden sein.
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Re: Ahnenforschung lateinischer Sterbeeintrag

Beitragvon romane » Sa 27. Dez 2014, 15:16

@Tiberis: jetzt lese ich es auch so :smile:
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Re: Ahnenforschung lateinischer Sterbeeintrag

Beitragvon Felber » Sa 27. Dez 2014, 20:13

Vielen Dank an romane, Tiberis und Zythophilus!

Dank euch verstehe ich den Eintrag nun.

In der Tat, es müsste "Aestum" statt "Astum" sowie "increvissent" statt "merevissent" heissen, dann bedeuten die Wörter auch etwas Sinnvolles.

Wenn ich es richtig verstehe, hat sich der Verstorbene wohl in seiner Jugendzeit eine Geschlechtskrankheit eingefangen, welche sich dann in den beschriebenen Symptomen äusserte (Schmerzen am Glied, Fieber, Beeinträchtigung der Vernunft). Oder hat jemand eine andere Erklärung?

Freundliche Grüsse

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Re: Ahnenforschung lateinischer Sterbeeintrag

Beitragvon medicus » Sa 27. Dez 2014, 22:11

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Re: Ahnenforschung lateinischer Sterbeeintrag

Beitragvon Felber » Sa 27. Dez 2014, 23:04

Syphilis stimmt mit den Symptomen eindeutig überein. Danke medicus!

Freundliche Grüsse

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